Brecht schaffen

■ Jugendliche zeigten im Schauspielhaus die Uraufführung von Brechts „Koloman Wallisch Kantate“

Achtung, es wird politisch. Wer sich das nicht schon bei der Lektüre der Ankündigungsflyer gedacht hat – ein Text von Brecht über den Widerstand eines österreichischen Sozialdemokraten 1934 – der wird spätestens bei einer der Aufführung vorangestellten „Einführungsrede“ unausweichlich daran erinnert. Angela Kammrad vom Kollektiv „Roter Pfeffer Bremen“ hält es für nötig, dem zahlreich versammelten Publikum etwas über den aktuellen Bezug des Stückes zu Sicherheitspaketen und Überwachungsstaat zu erklären.

Solcherart eingestimmt (und dank dieser Holzhammer-Methode leider auch ein bisschen verstimmt) wundert es dann auch nicht mehr, dass die folgende Stunde teilweise mehr an Geschichtsunterricht erinnert als an Theater. In dunklen Alltagsklamotten mit einem übergeworfenen Arbeiterhemd stehen die 15 Jugendlichen im Alter von 10 bis 20 Jahren auf der Bühne, meis-tens in einer großen Gruppe zusammengedrängt, manchmal umarrangiert in Einzelgrüppchen. Hinter ihnen – sozusagen als einziges Bühnenbild – ein ebenfalls 15-köpfiges Orchester, das den Brecht-Text mit schönster Eisler-Musik untermalt.

Aber apropos Brecht-Text: Die „Koloman Wallisch Kantate“, die es hier zum ersten Mal in einer szenischen Umsetzung zu sehen gibt, ist zwar ein spannendes, aber für das Theater auch sehr schwieriges, wenn nicht gar ungeeignetes Gedicht. Einzelcharaktere gibt es keine, die Geschichte von Koloman Wallisch, der sich mit den Arbeitern aus dem österreichischen Bruck an der Mur den faschistischen Heimwehr-Banden widersetzte und schließlich hingerichtet wurde, ist nur mit Mühe herauszufiltern.

Stattdessen: kämpferische Thesen und Brecht'sche Weisheiten en masse, von den Schülern meist chorisch dargeboten, manchmal auch gesungen, selten gespielt. Der spröde Charme dieser extrem statischen Umsetzung macht es dem Publikum nicht gerade leicht, lässt seltsam unbeteiligt und schafft kaum Emotionen. Was sich an Stimmungen überträgt, überträgt sich in erster Linie durch die Musik, die mal kämpferisch mit Schlagzeugtrommeln, mal melancholisch mit Solo-Trompete eine sehr atmosphärische Grundlage schafft.

Gelungen auch die sprachliche Seite der Inszenierung. Die Schüler artikulieren so exakt, dass wirklich jede Silbe zu verstehen ist, auch wenn das Orchester im Hintergrund spielt. Da sitzt jede kleine Atempause, jede Betonung, jeder neue Einsatz so perfekt, dass fünfzehn Stimmen im Chor manchmal wie eine einzige klingen.

Und so verlässt man nach einer Stunde den Zuschauerraum mit dem Gefühl, einen bis dato unbekannten Brecht-Text zwar gehört, aber leider nur in Ansätzen gesehen zu haben.

Bodil Elstner