Das große Ding des Asian Cool

While my sitar gently weeps: Der britische Kulturwissenschaftler John Hutnyk diskutierte Minderheitenpolitik zwischen Exotismus, Radical Chic und Militanz

Neben all den Blumen und frommen Wünschen, die man der Asche von George Harrison im Ganges beigab, wurde eines auch kleinlaut zugegeben: Der so wortreich betrauerte „stille“ Beatle war ein Dieb. Nicht nur arbeitete Harrison Ronnie Macks Song „He’s so fine“ in seinen Solo-Welthit „My Sweet Lord“ um, er wurde geradezu zum Verkünder des Prinzips der musikalischen Aneignung. Angeleitet von Ravi Shankar integrierte Harrison 1965 die Sitar als neues Stilelement in das Stück „Norwegian Wood“. Der Meister soll sich angesichts des mageren Ergebnisses übrigens vor Lachen gekringelt haben.

Für den Kulturwissenschaftler John Hutnyk vom Londoner Goldsmiths College, der am Montagabend – zeitgleich zur weltweiten Meditationsminute für den Ex-Beatle – im Kulturhaus Mitte zum Thema „Politik der Musik und Kritik der Exotica“ sprach, markiert Harrisons Praxis den einen vorherrschenden Repäsentationsmodus „südasiatischer“ Identität – eine Einpassung „exotischer“, ornamentaler Elemente in das Gewohnte, wie sie sich z. B. bei den Britpoppern von Kula Shaker oder anhand der Ausstattung des Films „Moulin Rouge“ zeige. Dabei werde das Fremde, Andersartige als eine „würzige Zugabe“ in den Konsum integriert und (nicht immer geschmackssicher) neu zubereitet. Beispiele gibt es zuhauf: Nachdem der NME Mitte der Neunziger das „Asian Cool“ zum „next big thing“ geadelt hatte, posierten die Spice Girls in Saris.

Der andere, „verdammende“ Modus der Repräsentation habe, so Hutnyk, eine ebenso lange Tradition in Großbritannien. Im April 1968 hielt der erzkonservative Politiker Enoch Powell seine berüchtigte „Rivers of Blood“-Rede, mit der er in martialischer Weise gegen neue Einwanderungswellen hetzte.

Auch dieser Diskurs hat in der Popmusik Schule gemacht. So applaudierte ausgerechnet Eric Clapton, George Harrisons male couple, noch Jahre später dem rassistischen Rechtsausleger. Nach den sommerlichen Rassenunruhen in Oldham und dem heißen Herbst der Terrorbekämpfung sind mehr denn je Strategien gefragt, um aus dem Dilemma zwischen „exotisierender“ Integration und rassistischer Abwehr zu entkommen. Für Hutnyk ist die erhöhte Sichtbarkeit von ethnischen Minderheiten dabei nur ein erster, wenngleich notwendiger Schritt. Wichtiger sei indes die „lokale, unglamouröse Arbeit in Gemeinschaften“, um die Solidarität unter den Betroffenen zu stärken. Als Anschauungsmaterial diente ihm das 94er Video „Dog Tribe“ der Band Fun-Da-Mental, bei dem das Recht auf kollektive Selbstverteidigung eingeklagt wird und das aufgrund seiner Militanz von MTV nicht gezeigt wurde.

Unbeantwortet blieb leider seine durchaus selbstkritische Frage an das Auditorium, was eigentlich die Analyse „diasporischer“ Lebensweisen so beliebt mache. JAN ENGELMANN