Konzept: teilhaben

Der Höchstbieter darf Kunst machen: Im „Public White Cube“ bezahlen Zuschauer dafür, den Raum ummodeln zu dürfen. Bisher gab es Farbinstallationen, Arbeiten zu Netzkunst, eine Kriegserklärung an gefallene Soldaten zu sehen

Manchmal könnten die Betreiber des Projektraums „Public White Cube“ verzweifeln. Nicht nur, weil mit den Veränderungsvorschlägen für das wöchentlich umgebaute Environment häufig dürftige Konzepte auf ihrem Schreibtisch landen, sondern auch, weil sie oftmals nur mit größtem Aufwand zu realisieren sind. Gerrit Gohlke, Karlheinz Jeron und Joachim Blank zeigen noch bis Januar in der Auguststraße Kunst, die von den Zuschauern bestimmt werden darf – allerdings gegen Bezahlung.

Wer den Raum nach seinen Vorstellungen ummodeln möchte, kann dazu das Recht bei dem Online-Auktionshaus Ebay erwerben. Nach dem Höchstgebot darf man dann so gut wie alles mit dem Kunstwerk machen. Indes sind die meisten Internetsurfer, die auf den Seiten von Ebay vor allem nach Schnäppchen suchen, der Kunstauktion in den vergangenen Wochen ferngeblieben. Bis jetzt kommen die Bieter aus dem Kunstumfeld, wenn sie nicht gar selber als Künstler arbeiten. Denn mit der Beteiligung am Projektraum können sie für kaum mehr als 120 Mark mitten in der Galerienmeile auf die eigene Kunst aufmerksam machen. Bei guten Konzepten mache die Umsetzung dann auch Spaß, sagt Gohlke. „Dennoch wollen wir weder eine Jury noch Kuratoren sein, sondern nur den Rahmen bieten“, erklärt Blank.

So müssten sie auch die Zerstörung des Kunstwerks tolerieren . Nur ein Vetorecht gegen bauliche Veränderungen behalten sie sich vor. Und bei einem Auktionsgewinner waren die Galeristen froh, es festgeschrieben zu haben. Als der „Talkmaster“, ein seit Jahren im Stadtraum agierender Sechsen-Maler, für zwanzig Mark das Veränderungsrecht ersteigerte, sei ihnen „schon mulmig“ geworden, sagt Jeron. Man müsse schließlich den geborgten Projektraum nach drei Monaten wieder in seinem ursprünglichen Zustand an den Münchner Galeristen Matthias Kampel zurückgeben. „Aber der Talkmaster meinte es gut mit uns und malte brav auf den ausgelegten Papierbahnen“, sagt Gohlke.

Man habe gespürt, dass es für ihn ein besonderer Moment war, an dem Kunstwerk teilzuhaben. Um eine Grundstruktur vorzugeben, setzten bis jetzt die Künstler Adib Fricke und Peter Friedl in zwei Ausstellungen eine erste Idee für das prozessuale Kunstwerk um. Während Frickes wandgroße Farbinstallation „Swoks“ in den folgenden sechs Auktionen gärtnerisch, ökonomisch und lichttechnisch beeinflusst wurde, hat Friedls Autorenszenario „Blow Job“ jene kollaborativen Schreibexperimente, die in der Netzkunst der 90er passierten, als Vorlage genommen.

Über die Homepage des Projektraums kann jeder auch ohne Gebot die Handlung weiterschreiben. Auch wenn die meisten Höchstbieter den Text negierten, habe eine anonyme Bieterin verlangt, dass die drei Galeristen ein Kapitel der laufenden Erzählung aufführen und die dann folgende freie Improvisation wieder transkribieren sollten, sagt Gohlke. „Für uns war das eines der besten Konzepte, Text und Raum miteinander zu verknüpfen.“

Andererseits war es auch eine der leichteren Übungen für das Projektraum-Team. Schwieriger wurde es bei dem „selbst gebastelten Dan Flavin“, so Gohlke, als sie die an der Decke des Raumes hängenden Neonröhren zu einem Geviert auf Brusthöhe zusammenstellen sollten. Zurückweisen durften sie das Konzept nicht. „Andererseits entschädigen spannende Selbstinterventionen der Auktionsgewinner für eine mühsame Galeristentätigkeit“, sagt Jeron. So die Performance vor einigen Tagen, als ein Künstler den „gefallenen Soldaten den Krieg erklärte“. Ein wenig Beuys für geschundene moderne Seelen. HENNING KRAUDZUN

Do bis Fr 15–18 Uhr, Sa und So 12–16 Uhr, Auguststraße 35, Mitte