tamtrinktier . . . der wahre türke von BJÖRN BLASCHKE
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Der Koran ist in Sachen Alkohol eine große Auslegeware – das bewies ich unlängst an dieser Stelle. Die muslimischen Türken haben damit keine Probleme, wie das Getränkesortiment des „Türken um die Ecke“ verrät. Wer das jemals näher inspiziert, dürfte neben Wasser mindestens dreierlei entdecken: blau etikettierte Bierflaschen der Marke „Efes Pilsen“, Raki und „Villa Doluca“-Wein.

Letzterer wird von wenigen muslimischen Türken getrunken, was indes nicht darauf zurückzuführen ist, dass sich deren Zungen in vorauseilendem Schmerz gegen den Chateau Migraine wehren. Nein, die Muslime, die den türkischen Wein lieber in den Köpfen Andersgläubiger sehen, haben schlichtweg den Koran richtig gelesen: Wenn er Alkohol verbietet, dann ausschließlich und explizit „Wein“. „Von Bier ist aber nirgends die Rede!“, lautet das gängige Argument türkischer Trinker. Kein Wunder, dass sie ihren Gerstensaft lieben, wenngleich in Deutschland über den Klassiker „Efes Pilsen“ hinaus leider nur selten die übrigen türkischen Biere im Angebot sind.

In der Türkei war es mir einst vergönnt, sie alle an einem Abend hintereinander weg durchzuschlockern. Es war 1999, während des Prozesses gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan – oder besser gesagt: in einer der Prozesspausen: Ich saß in der Küstenstadt Mudanya, verlassen von allen Journalistenkollegen, zusammen mit einer schönen Frau im schnuckeligen Hotel „Montania“, dessen Hauptsaal eine Leinwand bot, auf die per Videoübertragung live von der Gefängnisinsel die Verhandlungen projiziert wurden. Weil es aber gerade mal nichts aus Imrali zu übertragen gab, gab ich mich meinerseits Frau und Bier hin. Und per Handy übertrugen wir einem Kollegen in Frankfurt, der gerade an seinem Bierlexikon arbeitete und dafür trank, live die Urteile, die wir in unserem Getränkegericht fällten: bis auf das „Light Lager“, das wir aus Mangel an Alkohol freisprachen, wurden alle anderen Biere umgehend hingerichtet – das „Siyah Bira“ ebenso wie das „EXtra“-Doppelbock und „Marmara 34“.

Auch ihr zweites wichtiges alkoholisches Getränk reden sich die Türken gern Koran-konform: Raki. Der Anisschnaps, schubbern sie, werde nicht umsonst im Volksmund „Aslan Sütü“ (die Milch des Löwen) genannt; „Milch“, weil Raki sich weiß färbt, sobald er mit Wasser vermischt wird; „Löwe“, weil er ein Aphrodisiakum sei. Und, so die trinkfreudigen Hobbyexegeten, gegen ein Getränk, das zur Vermehrung seiner Geschöpfe anrege, könne der liebe Gott ja wohl nichts haben.

Ist es nicht schön, wie sich manche Menschen ihre Religion geradetrinken? Schade ist nur, dass der türkische Staat bis heute das Monopol auf die Raki-Produktion besitzt. Denn private Destillen hätten die beiden staatlichen Sorten Rakilar längst vom Markt geschubst. Unter allen Anisschnäpsen des Mittelmeerraumes ist der türkische nämlich der üggelügste. Und jeder, der mir widersprechen will, möge einmal einen libanesischen Arak trinken: einen Touma, einen Kefraya oder einen Jedoudna – und fortan für immer schweigen!