Von Eisenstein bis Zapata

Zwei Wochen Mexiko im Film: Das 3001 startet heute die Mexikanischen Filmtage  ■ Von Christian Rubinstein

Die Reformträume in Mexiko sind ein Jahr nach dem Amtsantritt des Präsidenten Vicente Fox erst einmal geplatzt. Passend dazu bringt das 3001 Filme, die ein zerissenes Land zeigen. Neben aktuellen mexikanischen Spielfilmen werden auch einige Dokumentarfilme gezeigt. Die gesellschaftlichen Spannungen und die wirtschaftliche Misere des Landes beleuchten beide Filmgattungen. 

Der Eröffnungsfilm Spurlos (Sin dejar huellas) kommt als Frauen-Roadmovie daher. Er beginnt paradox: Eine Frau klettert durch den Grenzzaun der Armutsgrenze zwischen den USA und Mexiko. Doch Ana ist Richtung Süden unterwegs. Prompt wird sie von der Polizei aufgegriffen. Die Grenzer wollen an ihrem Handel mit gefälschter Majakunst mitverdienen. Ana entkommt ihnen und taucht ein in die Welt der mexikanischen Landstraße. Dort trifft sie auf Aurelia, die mit ihrem Baby ebenfalls auf der Flucht ist. Sie hat ihren Freund um einige er-gaunerte Dollars erleichtert, die dieser nun zurück haben will. Es beginnt eine dieser Fluchten, die schon Generationen von Regisseuren begeisterten: Ein geländegängiges Auto, darin zwei zufällige Schicksals-Genossinnen, ein mys-teriöses rotes Auto im Rückspiegel. Am Ende haben die Heldinnen halb Mexiko durchquert und sich ihre Selbständigkeit bewahrt. 

Um Selbstbehauptung in einer korrupten Gesellschaft mit starker Polarisierung zwischen Arm und Reich geht es auch in einem Film, der in der zweiten Woche des Festivals gezeigt wird. Im Hier-ist-doch-nichts-passiert-Land (En el país de no pasa nada) ist der zungenbrecherische Titel. Elena, Frau eines Wirtschaftsbosses, schaut sich ihre geheimen Phantasien als virtuelle Realität an. In einem Video ist ihr Gesicht auf den Körper einer Superheldin projiziert worden. Ihr Mann Enrique fährt derweil in einer gepanzerten Limousine durch die „reale“ Welt, die aber an den Scheiben der Autofenster abprallt.

Im Laufe der Handlung nehmen alle Personen mehr oder weniger freiwillig Abschied von ihrem festgefahrenen Alltag. Enrique wird entführt, Elena macht sich auf die Suche nach der Geliebten ihres Mannes. Alle Beteiligten stoßen an die Grenzen ihrer Handlungskompetenz. Die einfachsten Dinge klappen nicht mehr. Das Resultat ist eine Umverteilung der Lebenschancen: Die einen hat es zu den Schönen und Erfolgreichen gespült, die anderen finden sich am Rande der Gesellschaft wieder. Das System aber bleibt das gleiche. Das Spielfilmangebot wird durch die Chronik eines Frühstücks (Crónica de un desayuno), den Film Hin und zurück (De ida y vuelta) und So ist das Leben (Así es la vida) komplettiert. 

Dem Aufstand der Zapatisten widmen sich zwei Dokumentarfilme des Festivals. Einen Überblick über die Ereignisse seit dem zapa-tistischen Aufstand 1994 bietet der Film Chiapas: Geschichte und Würde Interviews mit Veteranen der zapatistischen Bewegung bietet der Film Die letzten Zapatisten. 

Aus dem Archiv haben die Veranstalter auch das Filmkunstwerk Es lebe Mexiko von Sergej Eisenstein geholt. Im Jahr 2000 hat der Regisseur Olivier Debroise am Drehort des Eisenstein-Films ein Bankett initiiert, auf dem über den Klassiker diskutiert wurde. Daraus ist eine filmische Rekonstruktion der Umstände des Drehs unter dem Titel Ein Bankett in Tetlapayac geworden.

Spurlos: heute + So., 9.12.; Ein Bankett in Tetlapayac: Fr., 7.12. + Mi., 19.12. (OmspanU); Hin und zurück: Sa., 8.12. + Mo., 10.12.; Chronik eines Frühstücks: Di., 11.12. + Do., 13.12.; Die letzten Zapatisten: Mi., 12.12. (auch 21.15 Uhr) + Fr., 14.12.; So ist das Leben: Sa., 15.12.; Es lebe Mexiko: So., 16.12. (dt. Fassung); Im Hier-ist-doch-nichts-passiert-Land: Mo., 17.12.; Chiapas: Geschichte und Würde: Di., 18.12., alle Filme ohne besondere Kennzeichnung laufen OmenglU, jeweils 20 Uhr, 3001