Farbe ins Hirn – wofür?

■ Viel Leiden, wenig Ergebnis, sagt eine Studie über Uni-Tierversuche

Selbst der Bundespräsident ist auf Wolfgang Apels Seite. „Tiere sind keine Sachen“, wird Johannes Rau im aktuellen Infoheft des Bremer Tierschutzvereins zitiert. „Verlieren Sie nie die Leiden der Tiere aus dem Blick“, hat Deutschlands erster Mann in Richtung Tierversucher gesagt. Auf dem Foto hebt er mahnend die Augenbrauen, Renate Künast guckt verkniffen und Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes und Vorsitzender des Bremer Tierschutzvereins, lächelt ein ganz kleines bisschen.

Apel kann in seinem Kampf gegen Tierversuche, insbesondere gegen die Versuche an Affen von Hirnforschern an der Bremer Universität, außer auf gewichtige Sätze aus Berlin jetzt auch auf eine Studie von 148 Seiten verweisen, die nachweisen will, wie verwerflich und vor allem wie wenig begründet die Versuche sind. Er und Brigitte Rusche haben regalweise Fachliteratur gewälzt und sind zu folgenden Ergebnissen gekommen. Erstens: Die Tiere an der Bremer Uni – neben den Makaken sind es Salamander, Goldfische, Frösche, Mäuse, Ratten und Katzen – werden durch die Versuche schwer belastet. Zweitens: Die Ergebnisse der Forscher stehen dazu in keinem Verhältnis – sie sind nämlich kaum vorhanden. Drittens: Es geht auch ohne Tierversuche.

Weil die Verfasser der Studie keineswegs mehr oder minder unabhängige Gutachter sind, sondern Tierschützer, sind ihre Ergebnisse absehbar und der Wert der Publikation für den unbedarften Betrachter damit ein bisschen geschmälert. Aber nur ein ganz kleines bisschen. Denn was die beiden Autoren da zusammengetragen haben, macht Eindruck.

„Belastungskatalog“ heißt die Skala von Schmerzen und Anstrengung, auf der gemessen wird, was Tieren zuzumuten ist. Detailliert haben Apel und Rusche verschiedene Belastungskataloge aufgelistet: den der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Schweizerischen Bundesamtes für Veterinärwesen oder des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums – die Bremer Versuche rangieren dort nach Einschätzung der Tierschützer eher unter den schweren Belastungen.

Die beiden Autoren haben nach Ergebnissen gesucht. Danach, was es bringt, Affen Elektroden ins Hirn zu pflanzen (laut DFG-Katalog „nicht erhebliches Leiden“), ihnen Wasser vorzuenthalten (laut Schweizer Katalog „schwer“ bis „sehr schwer“), Fröschen ihr Gleichgewichtsorgan zu entfernen, Salamander bewegungsunfähig zu machen oder Mäusen Farbe ins Gehirn zu spritzen und sie schließlich zu töten, um die Gehirne zu untersuchen. „Ein konkreter medizinischer Nutzen für den Menschen lässt sich derzeit nicht ausmachen“, schreiben Apel und Rusche, „obwohl die Fachartikel, in denen die Ergebnisse aus über zehn Jahren Forschungsarbeit niedergelegt sind, eingehend daraufhin untersucht wurden.“

Stattdessen liefern die Autoren Ethik. Insbesondere die des Tierrechtstheoretikers Andreas Flury, der Affen eine „entsprechende moralische Stellung“ wie den Menschen zuspricht und erklärt: „Menschen sind nur beschränkt bereit, Einbußen der Lebensqualität hinzunehmen, um den vagen Verlust von Menschenleben zu verhindern, sie dürfen deshalb Tieren zu diesem Zweck nicht das denkbar größte Opfer zumuten.“

Und weil es bei Tierversuchern offenbar an Bewusstsein über die moralischen Aspekte ihres Tuns fehlt, fordern die Tierschützer einerseits strengere und transparentere Genehmigungsverfahren, andererseits die Forcierung „tierversuchsfreier Methoden“. Das eigentliche Ziel der Tierschützer, die Abschaffung der Versuche, kommt hier nur kurz vor: als „Herausforderung“. Und als „große Chance“. Susanne Gieffers

„Nerv getroffen. Ein Jahrzehnt Hirnforschung an der Universität Bremen“, 25 Euro, zu beziehen beim Bremer Tierschutzverein, Tel.: 0421/35 22 14Tel.: .