Von der braunen Vergangenheit des BKA

BKA wurde von Exmitarbeitern der NS-Dienste aufgebaut. Bundesinnenministerium: „Allgemein bekannt“

BERLIN taz ■ Die braunen Wurzeln des Wiesbadener Bundeskriminalamtes (BKA) und die nationalsozialistische Vergangenheit seiner führenden Beamten will die Bundesregierung nicht richtig wahrnehmen.

In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke teilt das Bundesinnenministerium jetzt schriftlich mit: „Die Tatsache, dass bis Anfang der 70er Jahre einzelne Beamte in leitenden Funktionen des Bundeskriminalamtes tätig waren, die in der NS-Zeit der Polizei und NS-Organisationen (SS, SA, SD) angehörten, ist allgemein bekannt und wurde mehrfach publiziert. Von Ausnahmen abgesehen sind der Bundesregierung aber keine Tatsachen zu einzelnen strafbaren oder diziplinarwürdigen konkreten Handlungen dieser Personen in der NS-Zeit bekannt.“

Was die publizistische Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte des BKA angeht, ist die Aussage des Innenministeriums stark übertrieben. Denn anders als etwa bei der Gründung des Pullacher Bundesnachrichtendienstes sind die Kontinuitäten zwischen der NS-Polizei und dem heutigen Wiesbadener Amt kaum ausgeleuchtet worden. Ulla Jelpke stützte ihre Anfrage vom 12. November 2001 auf das kürzlich erschienene Buch „Auf dem rechten Auge blind – Die braunen Wurzeln des BKA“.

Der Autor Dieter Schenk, ein Honorarprofessor und selbst früherer Kriminaldirektor beim BKA, hat darin erstmals systematisch die Entstehung des Bundeskriminalamtes untersucht und dazu Akten aus polnischen Archiven wie auch aus der ehemaligen DDR herangezogen, er hat auch Unterlagen des Berlin Document Centers ausgewertet.

Schenk kommt zu einem drastischen Urteil, welche Bedeutung ehemalige Nazis und NS-Kriegsverbrecher für den Aufbau der zentralen Polizeibehörde der Bundesrepublik Deutschland hatten. Das BKA sei „von Nazi-Tätern aufgebaut“ worden, so Schenk. „1959 bestand der Leitende Dienst des BKA aus 47 Beamten – bis auf zwei hatten alle eine braune Weste.“ Für das rechtsstaatliche Selbstverständnis der Behörde sei rückblickend „als moralische Katastrophe“ zu werten, „dass fast die Hälfte der 47 BKA-Chefs als NS-Verbrecher im kriminologischen Sinne bezeichnet werden müssen“. Penibel rekonstruierte Schenk unter anderem die Vita von sieben Absolventen der „Führerschule der Sicherheitspolizei“ von 1938, die später im BKA Führungspositionen einnehmen sollten – unter ihnen Paul Dickopf, der 1965 zum BKA-Präsidenten aufstieg, und der Schenk zufolge in den letzten Kriegsjahren als Doppelagent sowohl dem NS-Geheimdienst wie auch US-Diensten zuarbeitete. Später habe sich Dickopf mit einigem Geschick die Legende eines Widerstandskämpfers zugelegt.

Paul Dickopf wurde 1970 bei seiner Verabschiedung als BKA-Präsident vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) als „Vorbild für die gesamte deutsche Polizei“ gewürdigt. Vor dem Hintergrund der in Schenks Buch erhobenen Vorwürfe gegen ihn wollte die PDS-Abgeordnete Jelpke nun wissen, ob die Bundesregierung eine amtliche „Korrektur“ der Bewertung der BKA-Entstehungsgeschichte für notwendig erachte.

Lapidar heißt es in dem von Staatssekretär Fritz Rudolf Körper verfassten Antwortschreiben vom 3. Dezember: „Die Bundesregierung nimmt zu Äußerungen des damaligen Bundesministers des Inneren Genscher nicht Stellung.“ Weiter heißt es in dem Schreiben: „Das Bundeskriminalamt hat keine nationalsozialistische Vergangenheit. Es ist im Jahre 1951 gegründet worden.“ WOLFGANG GAST