„Der Keuschheit Bild“

■ Steinerne Details und andere Preziosen liefert jetzt ein aufwändiger Dom-Katalog

Das Altarbild fand er „schlecht gerathen und sehr geschmacklos“, den hölzernen Deckel des Taufbeckens „buntgeschnitzt und abgeschmackt“. Gerhard Meyer, je nach Marktlage Tabak-,Tee- oder Versicherungshändler, hat 1928 als Dom-Bauherr eine detaillierte Bestandsaufnahme der „Denkwürdigkeiten der Domkirche in Bremen“ verfasst. Neben Grabinschriften und Denkmälern beschrieb er unter anderem Chor, Orgel, Sakristei und Gemälde. Zur Illustration fügte er eigene Zeichnungen hinzu.

Bis vor kurzem verstaubte das dicke Buch in einem Schrank des Dom-Museums. Jetzt hat der Bremer Historiker Dieter Hägermann das ehrwürdige Werk edel aufgemacht und neu herausgegeben.

Vor allem Linda Sundmaeker hat dafür als Geschichtsstudentin schwer geschuftet: die wissenschaftliche Auswertung war ihre Magisterarbeit. Aber auch andere, darunter Ingrid Weibezahn vom Dom-Museum und Meyers Nachfolger, Bauherr Karsten Bahnson, haben Beiträge geleistet. Ergänzend zu den Originaltexten haben sie die Texte zum geschichtlichen Kontext geschrieben und die lateinischen Teile übersetzt.

Fünf Jahre, von 1923 bis 1928, hat Multitalent Meyer für seine umfangreiche Liste gebraucht. Letztlich trieb den Bauherrn sein Gewissen zur Niederschrift. Denn im Laufe der Jahrhunderte waren immer wieder Teile des Doms zusammengefallen und abgebrochen. Einiges wurde repariert, anderes als Baumaterial wiederverwendet. Und als 1923 wieder mal eine Teilrenovierung anstand, dachte der Bauherr über Vergänglichkeit nach. Er beschloss zu retten, was zu retten war.

„Hier ligt der Keuschheit Bild / der Abris reiner Tugend / ein Spiegel wahrer Zucht ein Engel“, so lobt Jacob Hyronimus Lochner im Jahr 1700 sein verblichenes Weib, und genau so hat es Gerhard Meyer von ihrem Grabstein im Dom abgeschrieben, „der Hoffnung sichern Port, das Paradies / steht offen / Und lebt in reiner Seel, im grossen / himmelsschein / den unbefleckten Leib, bedecket /dieser Stein“.

Grab- und Denkschriften wie diese schrieb er als erstes ab, fand dann Gefallen an der Sache und katalogisierte kurzerhand den ganzen Dom. Zum Schluss besaß er ein alphabetisches Verzeichnis aller Grabplatten, der dazugehörigen Inschriften, Denksprüche, aber auch Zeichnungen der Grundrisse bis hin zum Gewicht der Glocken (6.500 und 1.150 Pfund).

Detailliert und fast so umfangreich wie das Original, ist der Band – ein Leckerbissen für Liebhaber, nicht aber den Durchschnittsleser. Damit er überhaupt erscheinen konnte, sammelten die Verantwortlichen erstmal ordentlich Spenden bei der St. Petri-Domgemeinde, Stiftungen und einer Reihe Privatbürger.

Bis das Buch erscheinen konnte, dauerte es schließlich drei Jahre. „Es ist eine Besonderheit Bremens, dass man bei allen halbwegs vernünftigen Projekten Schwierigkeiten bekommt“, kommentiert Herausgeber Hägermann den Prozess.

In weiser Voraussicht hat er zunächst nur 1.000 Stück unter dem vollständigen Titel „Einiges über die Denkwürdigkeiten der Domkirche in Bremen“ herausgebracht.

Theresa Bäuerlein

Das Buch kostet 68 Mark und ist im Hauschild-Verlag erschienen.