Die nasskalte Flaute der Nikoläuse

Früh in Rückstand und Unterzahl rennt Hertha BSC dem Schweizer Pokalsieger Servette Genf ins offene Messer

Selbst drüben, auf der langgezogenen Gegengeraden, hielt sich der vorweihnachtliche Frohsinn deutlich in Grenzen. Zwar hatten sich tatsächlich Menschen mit langen Mänteln, weißen Bärten und roten Zipfelmützen zu freiem Eintritt pünktlich eingefunden, vom Ziel ihres konspirativen Treffens aber blieben die Nikoläuse mehr als meilenweit entfernt: Über 453 hätten es sein müssen, um den geplanten Weltrekord der größten Weihnachtsmann-Ansammlung zu brechen, knapp 100 nur waren schließlich gekommen, was aber zum Rest der trostlosen Kulisse passte, weil insgesamt keine 10.000 Zuschauer das düster leer wirkende Berliner Olympiastadion am nassgrauen Abend füllten.

Die Flaute der Nikoläuse freilich blieb nicht die einzige Enttäuschung des Abends - wobei später kein Zweifel aufkommen konnte darüber, dass Pleite Nummer zwei weit schwerer wiegt, weil Hertha BSC Berlin dabei doch seine Drittrunden-Partie im Uefa-Cup verloren hat. 0:3 hieß es in dieser nach 90 kalten Minuten gegen Servette Genf, womit der 17-fache Schweizer Meister nicht nur die Serie der Berliner von zuletzt zehn Pflichtspielen ohne Niederlage zerstörte, sondern den Hauptstädtern auch noch den Traum von der ersten Achtelfinal-Teilnahme im Uefa-Cup seit der Saison 1978/79 vermasselte, was im Endeffekt in nur einer schicksalshaften Minute geschah, der 17. nämlich. In der köpfelte zunächst Hilton nach Kopfballduell mit Sverrisson den Ball zum 1:0 in die Maschen, dann, gleich nach Wiederanpfiff, sah Hertha-Abwehrchef Dick van Burik völlig zurecht die Rote Karte, weil er Servette-Sturmkraft Alexander Frei notgebremst hatte.

Der große und zu diesem Zeitpunkt noch lange Rest des Spiels ergab sich hieraus beinahe zwangsläufig: Hertha, nun mit nur zehn Mann und durch die Europacup-Arithmetik zu zwei Treffern verdammt, rannte vehement gegen die doppelte und nun noch weiter zurückgezogene Abwehr-Viererkette der Genfer samt deren Gehäuse an, was zwar mit mancher Chance belohnt wurde, aber letztlich doch ohne Tor blieb. Die zwangsläufige Entblößung der eigenen Abwehr wiederum nutzten die sehr disziplinierten und ballsicheren Genfer zum frühen Gnadenstoß per Konter gleich nach der Pause durch Frei, womit der Schweizer Käse mehr oder weniger schon zu diesem Zeitpunkt endgültig gegessen war.

Der Torhunger der Genfer, die zuvor im Uefa-Cup noch nie gegen ein deutsches Team gewinnen konnten und erstmals in ihrer Vereinshistorie in einem internationalen Wettbewerb überwintern dürfen, hingegen war damit noch nicht gestillt. Den per Konter herausgearbeiteten Freistoß nutzte Goran Obradovic eine Viertelstunde vor Schluss zum deprimierenden 3:0-Endstand. Das war dann auch der Zeitpunkt, in dem sich die ersten Nikoläuse traurig auf den Heimweg machten. FRANK KETTERER