Atomkritischer Physiker scheitert vorerst am TÜV

Überraschend hat der Aufsichtsrat Lothar Hahn vom Öko-Institut als Geschäftsführer der Gesellschaft für Reaktorsicherheit erst einmal abgelehnt

FRANKFURT/M. taz ■ Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Der atomkritische Physiker Lothar Hahn wurde am Mittwoch nicht – wie von allen Beteiligten prognostiziert und von der taz vorschnell vermeldet – zum Geschäftsführer der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) ernannt. Nach Informationen aus dem GRS-Umfeld sprachen sich die Vertreter von zwei Technischen Überwachungsvereinen (TÜV) im Aufsichtsrat überraschend dagegen aus. Gegenkandidaten gab es nicht.

Die GRS erstellt Gutachten für Erbauer und Betreiber von Atomanlagen und entwirft für den Bundesumweltminister die Richtlinien in der so genannten friedlichen Nutzung der Atomenergie. 40,1 Prozent der Anteile hält der Bund, den Rest teilen sich Bayern, Nordrhein-Westfalen, der Germanische Lloyd und alle TÜV. Den Vorsitz im Aufsichtsrat hat Umweltstaatssekretär Rainer Baake (Grüne).

Schon einmal sollte der 57 Jahre alte Hahn einer der beiden Geschäftsführer der GRS werden. Im Frühsommer 2000 hatte es das grün geführte Bundesumweltministerium allerdings versäumt, den auslaufenden Vertrag mit dem Kommunalpolitiker Walter Leder (CDU) rechtzeitig zu kündigen. Der war von der alten CDU-FDP-Bundesregierung kurz vor der Bundestagswahl 1998 mit einer automatischen Verlängerungsklausel ausgestattet worden. Der Jurist Leder konnte sich so bis heute halten. Hahn sollte jetzt eigentlich dem in den Ruhestand gehenden wissenschaftlichen Geschäftsführer und Atomenergiebefürworter Adolf Birkhofer nachfolgen. Die Abstimmung war schon für den frühen Nachmittag eingeplant. Doch erst gegen 19.30 Uhr fiel die Entscheidung – gegen den Mann aus dem Öko-Institut. Nach inoffiziellen Informationen gilt die Sitzung als unterbrochen. Noch ist unklar, ob Hahn einen zweiten Anlauf nehmen kann. Der Abteilungsleiter für Sicherheitsfragen der GRS in der Forschungsdependance in Garching jedenfalls ist mit dem – vorläufigen – Ausgang der Geschichte „zufrieden“. Hahn sei zwar „menschlich in Ordnung“, so Klaus Köberlein, aber „fachlich nur bedingt geeignet“. Köberlein war lange Jahre Assistent von Birkhofer. Ganz anders sehen das die Umweltverbände: „Das war die Rache des TÜV an Lothar Hahn“, kommentierte das Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), Eduard Bernhard, die „dubiosen Vorgänge“ in Köln. Als Vorsitzender der RSK habe Hahn dem TÜV Süddeutschland, der in Philippsburg und anderswo über 17 Jahre hinweg „schlampig gearbeitet“ habe, doch gerade in den letzten Wochen „wiederholt auf den Schlips getreten“. „Die alten Seilschaften der Befürworter der Atomenergie funktionieren unter Rot-Grün noch prächtig“, so Greenpeace-Atomexpertin Susanne Ochse. Der Affront gegen Hahn habe erneut deutlich gemacht, dass die Bundesregierung „in der Atompolitik nicht wirklich handlungsfähig ist“.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT