Es lieber sein lassen

Hamburger Internet-Anbieter www.hamburghochzeit.de zeigt, was man außer Heiraten sonst noch alles falsch machen kann  ■ Von Alexandra Frank

Vor einer Woche hat ihr langjähriger Freund sie gefragt, ob sie ihn heiraten möchte. Insgeheim hatte sie ja schon mit der Frage gerechnet und deshalb war die Antwort: „Ja, ich will.“ Wenn schon geheiratet wird, so sind sich beide einig, dann „richtig“, also mit vielen Gästen, ganz in Weiß und natürlich im Mai. Somit war eigentlich ja schon alles klar. Und jetzt kam ihre beste Freundin mit dieser Website. „Unter hamburghochzeit.de findest Du alles, was Du wissen musst“, war der Freundinnen-Tipp, und so sitzt sie nun vor dem Bildschirm.

Die Homepage des Hamburger Anbieters flimmert ihr entgegen. In der freundlichen Begrüßung steht, dass das Hochzeits-Portal umfassend beraten möchte, um Fehler zu vermeiden. „Fehler?“ fragt sich Tina und klickt entschlossen weiter. Wenn man sich einmal zum Heiraten entschlossen hat – was kann man außerdem dann noch falsch machen? „Ich brauche ein Brautkleid“, denkt sie sich und zielt den Link „Branchentipps“ an. „Das ganze Informationsspektrum regionaler Hochzeitsangebote“ enthält bestimmt auch Brautbekleidung. Aber als sie sich die Branchentipps von A-Z durchliest, gerät das Kleid erst einmal in Vergessenheit. Stattdessen drängen sich, je weiter sie im Alphabet fortschreitet, immer mehr neue Probleme auf. Die Fahrt zur Kirche: Kutsche, Limousine, London-Taxi oder Rikscha werden angeboten. Unterhaltung: Stripper, Bauchredner oder Zauberer? Und ist eine Drehorgel oder doch gleich eine ganze Kapelle angemessener?

Schweißperlen bilden sich auf ihrer Stirn. An so etwas hat sie ja noch gar nicht gedacht. Also tief durchgeatmet und am besten von vorne, „Hochzeitsplaner – von Woche zu Woche“ bietet sich da an. Die Datierung fängt acht bis sechs Monate vor der Hochzeit an. Schnell zählt sie an den Fingern, ob sie denn überhaupt noch genug Zeit hat, um pünktlich im Mai zu heiraten. Gerade noch. Die Einleitung des „Hochzeitsplaners“ will beruhigen: „Eine Hochzeit erscheint oft auf den ersten Blick wie ein Mammut-Projekt, aber alles lässt sich meistern.“

Es scheint also normal zu sein, sich erst einmal erschlagen zu fühlen. Wie beruhigend. Unter „8 bis 6 Monate vorher“ steht dann aber doch einiges, was eine erneute Panikattacke bei ihr auslöst: Wunschtermine für die standesamtliche und kirchliche Hochzeit festlegen, Trauzeugen, Blumenkinder und Brautführer ansprechen, Zeremonienmeister bestimmen und und und. Sie rollt mit dem Cursor weiter runter. Ihre Nackenhaare richten sich auf. Selbst „am Tag der Tage“ stehen noch rund zwei Din A4 Seiten Organisationsplanung. Zum Beispiel das „Notpack“ für Braut und Bräutigam, das unbedingt mitzunehmen sei. „Warum soll ich nicht gleich einen ganzen Koffer in die Kirche schleppen?“ denkt sie verärgert. Außerdem müsse man den Autokonvoi und die Fahrstre-cke koordinieren. „Rischka oder Limousine?“ drängt sich wieder in ihren Kopf, dazu auch noch mit Blechdosen behangen. Denn so will es der Hochzeitsbrauch. Davon gibt es viele, erfährt sie: Sie müsste etwas „Altes, Neues, Geliehenes, Blaues“ tragen, ihr Künftiger sie dafür über die Türschwelle. Schleiertanz und Myrte, Reis und Brautentführung, das alles will beachtet werden.

Sie ist kurz davor, die ganze Hochzeitsidee fallen zu lassen. Was soll das Ganze überhaupt? „Na, ja“, denkt sie sich, „wenn man die Sache rechtzeitig und organisiert angeht, mag ja doch noch alles glatt laufen.“ „Du, ich habe schon einmal mit unseren Hochzeitsvorbereitungen angefangen“, informiert sie ihren Freund. „Jetzt schon?“, erwidert der. Dieser abgrundtief Ahnungslose.