Ganz Medium ohne Botschaft

Sie machen Melancholie greifbar, haben den Wall of Gitarrensound im Rücken – und dennoch ist an ihnen der Berlin-Hype um Bands wie Contriva oder Mina beinahe spurlos vorbei gegangen: Heute spielen Monoland im Magnet Club

Musik wie die von Monoland kann eben nicht mal nebenbei reproduziert werden

Da können sie relativieren, sich sträuben, Gegenargumente anführen, wie sie wollen, man wird bei Monoland nicht darum herum kommen, eine Referenz für ihren Sound ganz besonders ins Feld zu führen: My Bloody Valentine. Gerade weil es so offensichtlich ist, weil man mit dem Einsetzen der ersten Gitarrenwand – und die lässt bei Monoland nicht lange auf sich warten – beim ersten Erklingen des verwischten, androgynen Gesangs, sofort an diese große mystische Dreampop-Band der Endachtziger denken muss, tun die Monoland-Jungs alles dafür, nicht als hemmungslose Heldenverehrer- oder Epigonenband unterschätzt zu werden.

Einfach machen sie es sich dabei selbst nicht, auch untereinander scheint hier immer noch eine Debatte am Laufen zu sein. Bassist Matthias Ecker dazu: „Mindestens die Hälfte unserer neuen Platte hat nichts mit My Bloody Valentine zu tun. Nur wie diese klingen zu wollen, wäre ja auch viel zu langweilig.“ Im Laufe des Gesprächs wird diese Aussage immer wieder untersucht, der ödipale Komplex, den die Band mit sich herum schleppt, ist gewaltig. Man einigt sich ungefähr darauf, dass vor allem zur Bandgründung besagte englische Band unter der Leitung des längst legendär gewordenen Soundperfektionisten Kevin Shields, dessen Obsessionen im Studio sein damaliges Label Creation in Richtung Ruin führte, ausschlaggebend war und bis heute vor allem als Referenz für die Gitarrensounds immer noch zählt.

Doch besonders auf ihrer neuen, zweiten Platte „Cooning“ sieht man sich selbst mit all den dort untergebrachten elektronischen Spielereien, den zaghaften Danceeinflüssen und dem Dub von der großen Schwester emanzipiert, obwohl die Blutsverwandte all die genannten Anlagen auch schon in sich barg. Seit 1996 gibt es Monoland, deren Name übrigens hübsch deutsch ausgesprochen wird und, wie Matthias meint „als Antiding gegen die sich damals etablierenden Stereo-Bands wie Stereo Total, Stereophonics oder Stereolab“ zu deuten ist.

Obwohl bereits ihr Debüt als gelungen bezeichnet werden kann, ging der ganze Berlin-Hype um Bands wie Contriva oder Mina, der sich schon damals langsam anbahnte, beinahe spurlos an ihnen vorbei. Einmal mag das daran liegen, dass ihr letztes Label nicht besonders auf die Werbepauke haute, doch Mattias sieht den Grund eher in den unterschiedlichen Grundvoraussetzungen: „Wir entspringen zwar alle denselben Milieus und haben in den selben Clubs unsere ersten Konzerte gegeben, doch als Monoland fehlt uns dieser Wohnzimmerkontext. Aufgrund unseres Sounds hatten wir die Möglichkeiten der anderen nicht, die Möglichkeit zur Reduktion stand uns einfach nicht offen.“

Während sich also in der entscheidenden Entwicklungsphase Berlins zum Popwunder der Republik alle anderen irgendwo neben den Kamin stellten und spielten, mussten Monoland darauf warten, dass ihen jemand die technischen Voraussetzugen für ihren Wall Of Noise lieferte, meist war das ein Warten auf Godot. Musik wie die von Monoland kann eben nicht mal nebenbei reproduziert werden, Perfektionismus ist eine entscheidende Voraussetzung für deren Funktionieren, nur dadurch ist die intendierte Intensität möglich. Der Kulturwissenschaftler Steven Shaviro schreibt über My Bloody Valentine: „Diese Musik ist ganz Medium, und keine Botschaft“.

Auch auf Monoland lässt sich diese Aussage, mit den nötigen Abstrichen natürlich, problemlos übertragen. Es geht hier mehr um Prinzipien, als um einzelne Songs. Unterhält man sich mit Monoland über ihren spezifischen Sound, ist recht schnell die Rede von „Rückkopplung, Überlappung von Gitarrensamples, Rausch“ und „Rausch im Sinne von Berauschen, ein betäubendes, körperliches Rauschen. Der Körper soll vibrirert werden, das Rauschen soll nicht intellektuell, abstrakt, sondern körperlich fühlbar sein.“ Emotionen, sehr gerne Melancholie, sollen förmlich greifbar werden.

Durch Gitarrenwände zum Anfassen, einen Gesang der von überall und nirgends zu kommen scheint, durch das Generieren von Zuständen wie Körperlichkeit und Entkörperlichung, Lust und postkoitales Runterkommen. Nochmals Shaviro zu MBV: „Diese Musik attackiert nicht nur deine Ohren, sie belagert deinen gesamten Körper. Sie packt dich körperlich, kriecht über deine Haut, dringt in deine Öffnungen ein, gleitet in dich und zerdrückt deine inneren Organe“. Zu Monoland hätte er bestimmt nicht dasselbe, aber ähnliches verfasst.

ANDREAS HARTMANN

Heute ab 21 Uhr im Magnet Club, Greifswalder Str. 212-213, Prenzlauer Berg. Ihr Album „Cooning“ ist bei Supermodern/Indigo erschienen