berliner szenen
: Morgenmuff

Kunst zum Frühstück

Morgens, halb zehn in Deutschland. Den Hammer hinlegen, ’nen Happen essen – wer zur Hölle kriegt so früh schon was runter? Wir Bohemiens natürlich nicht. Wir hassen Frühstück ohnehin, Frühstücken gehen erst recht. Obwohl man dabei manchmal schönen Quatsch beobachten kann: Gestern, gegen 11.30 Uhr unchristlicher Zeit, versucht in einem Kreuzberger Café ein junges Ding neben mir, ihre zwei Eier im Glas aus dem Glas zu fummeln. Der ganze Tisch guckte angeekelt zu, wie sie ihr immer wieder aus den Fingern glibschten. Danach schmiert die Dame das Eigelb an der Weihnachtsdeko ab und bestellt einen Caipirinha. Eine wahre Bohemine? Alkoholabhängig? Weltfremd? Oder war das eine Frühstücksperformance?

Morgen früh gehe ich dann mal zum echten Kunstbrunch in die Schöneberger First Artist Gallery. Zwei Kunstdamen stellen dort organische Skulpturen und Bilder aus, Nahaufnahmen von Körperteilen, die an und für sich nichts in erster Linie Erotisches an sich haben, aber so fotografiert sind, dass man nicht mehr weiß, ob man in ein Nasenloch oder einen weiblichen Schritt guckt. So sind se, die Künstlerinnen. Dazu gibt’s Brötchen mit Käse. Bei Erotik zum Frühstück fallen mir auch immer wieder die TV-Frühsportprogramme ein. Ob es Perverse gibt, die am liebsten Frauen oder Männer in Leggins und/oder Stulpen sehen? Legginsfetischisten? Die gestrige Eier-im-Glas-Performerin trug übrigens, trotz der Kälte draußen, eines dieser Jenny-Elvers-Busen-Lätzchen: ein Stück Stoff, das mit Hilfe weniger Bändchen vor den Latz gebunden wird. Und wahrscheinlich irgendeinen versteckten Babywunsch versinnbildlichen soll. Aber vielleicht überinterpretiere ich hier auch ein wenig. JENNI ZYLKA