Raketen auf Gaza-Stadt

Bei einem Angriff der israelischen Armee werden 18 Menschen verletzt. USA drohen Arafat mit Sanktionen. UN-Menschenrechtskommissarin für unabhängige Beobachter

GAZA-STADT rtr/dpa ■ Nach zweitägiger Pause hat die israelische Armee gestern morgen erneut Einrichtungen der Palästinenserregierung in Gaza-Stadt angegriffen. Mindestens 18 Menschen wurden dabei verletzt. Die Raketen trafen den Amtssitz des palästinensischen Polizeichefs. Augenzeugen berichteten, zwei vierstöckige Gebäude lägen in Schutt und Asche. Zwei große Explosionen hätten die Stadt erschüttert, nachdem israelische Kampfflugzeuge über die Stadt geflogen seien. Durch die Explosionen zerbarsten in einem größeren Umkreis Fensterscheiben. Eine große schwarze Rauchwolke stand über der Stadt.

Die Armee teilte mit, die Luftangriffe seien gegen Einrichtungen der Palästinenser-Regierung gerichtet, die terroristische Aktivitäten unterstützen. Israels Außenminister Schimon Peres bekräftigte im israelischen Rundfunk, die Palästinenser müssten die für den Terror Verantwortlichen festnehmen. Der palästinensische Sicherheitschef Abdel Rasek al-Madschajdeh sagte: „Der israelische Angriff hat alle unsere Bemühungen zerstört, die Ordnung wiederherzustellen.“ Die Spannungen würden sich weiter verschärfen.

Die US-Regierung hat Palästinenserpräsident Jassir Arafat mit dem Abbruch der offiziellen Kontakte zur Autonomiebehörde gedroht, falls Arafat nicht entschlossen gegen den Terrorismus in seinem Gebiet vorgeht. Dies berichtete die Tageszeitung Jediot Achronot gestern unter Berufung auf israelische und US-amerikanische diplomatische Kreise.

Überdies seien israelische Truppen mit Panzern in den Süden des Gaza-Streifens eingerückt, sagen Palästinenser-Vertreter. Dabei seien zwei Männer festgenommen worden. Einer sei ein Mitarbeiter des palästinensischen Geheimdienstes. Die Armee sprach von drei Menschen in ihrem Gewahrsam.

Unterdessen äußerte sich Ägyptens Präsident Husni Mubarak skeptisch über die weitere Entwicklung. Auf die Frage, wie er die Aussichten für Frieden beurteile, sagte Mubarak der libanesischen Zeitung As-Safir: „Ich habe noch nicht aufgegeben, aber was ich sehe ist, dass, nach all den Bemühungen, es keinen Zweck hat, wenn Scharon seine gegenwärtige Politik fortsetzt.“ Vielleicht werde aber ein Wunder geschehen. „Die Amerikaner könnten die Führung übernehmen und Hoffnung geben.“

Israel begann seine jüngsten Angriffe, nur Stunden nachdem der US-Vermittler Anthony Zinni mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat zusammengetroffen war. Bis gestern Nachmittag war unklar, ob die von den USA vermittelten Sicherheitsgespräche zwischen den Konfliktparteien wie geplant stattfinden würden.

Der türkische Premier Bülent Ecevit sagte, Scharon wolle Arafat „loswerden“. Dies habe ihm Scharon bei einem Telefon-Gespräch mitgeteilt. „Scharon hat offen den Wunsch geäußert, Arafat loszuwerden“, sagte Ecevit in Ankara ohne diese Äußerung näher zu erläutern.

UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson sprach sich angesichts der andauernden Gewalt erneut für die Entsendung von unabhängigen Beobachtern aus. Diese könnten auf israelischer wie palästinensischer Seite mehr Sicherheit für die Zivilbevölkerung bringen, sagte Robinson gestern.

Mehr als die Hälfte der Israelis befürwortet einer gestern veröffentlichten Meinungsumfrage zufolge den Sturz Arafats. Sieben von zehn Befragten unterstützten „massive militärische Vergeltungsschläge“, berichtete die israelische Zeitung Ma’ariv aus der Umfrage, knapp 40 Prozent eine generelle Kriegserklärung gegen die Palästinenserregierung. Die Umfrage habe nach den palästinensischen Selbstmordanschlägen vom Wochenende und den Vergeltungsschlägen am Wochenanfang stattgefunden.