Klassik für Kids

Das Deutsche Symphonie-Orchester plant im neuen Tempodrom den Cross-over. Ein Interview mit seinem Orchesterdirektor Thomas Schmidt-Ott

taz: Bisher brachte man das Deutsche Symphonie-Orchester (DSO) mit der Philharmonie oder dem SFB-Sendesaal in Verbindung. Warum will das DSO das Tempodrom bespielen?

Thomas Schmidt-Ott: Wir erwarten dort ein Publikum, das etablierten Musiktempeln distanziert gegenübersteht, und wollen insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene erreichen.

Also Bach und Beethoven für Kids?

Für die klassischen Heroen gibt es passendere Orte. Unser Tempodrom-Programm ist ein Experiment. Zu Silvester kombinieren wir beispielsweise eine Lesung mit Texten von E. T. A. Hoffmann und Ingeborg Bachmann mit italienischem Belcanto. Für solche Cross-over-Veranstaltungen wollen wir ins Tempodrom.

Braucht man dafür eine neue Stätte?

Sie ist auf jeden Fall hilfreich, weil mit ihr Schwellenängste leichter zu überwinden sind. Das Tempodrom füllt eine Lücke, denn die Hauptstadt hat einen Mangel an geeigneten alternativen Spielorten. Beispielsweise wäre eine Berliner Ausgabe der Night of the Proms, wie sie in London stattfindet, in der Philharmonie völlig deplatziert .

Ist die Akustik des Tempodroms für ein Symphonieorchester überhaupt geeignet?

Moessinger und DSO-Chef Kent Nagano standen schon während der Bauphase miteinander in Kontakt. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist, dass Schallsegel installiert wurden. Wie der Klang genau sein wird, wissen wir noch nicht, Computersimulationen stimmen uns jedoch optimistisch.

Und wenn die Computer lügen?

Dann müsste man mit Tontechnik nachhelfen, doch das ist für uns ausgeschlossen. Wenn es nur mit Mikrofonen und Verstärkern geht, werden wir das Tempodrom nur noch für Events nutzen. Damit rechne ich aber nicht.

Was passiert, wenn Nagano das DSO verlässt und der neue Chef von Experimenten nichts wissen will?

Nagano bleibt, da habe ich überhaupt keine Zweifel. Wenn die Gesellschafter der ROC GmbH, die das DSO trägt, anders entscheiden, wäre das ein kulturpolitisches Eigentor.

INTERVIEW: TILMAN VON ROHDEN