Zu Gast bei Trimalchios

■ „Satyricon“ von Bruno Maderna ist eine der wenigen gelungenen komischen Opern des 20. Jahrhunderts. Im Concordia ist sie als lustiger Abend – trotz schauspielerischer Schwächen – zu erleben

Der Beginn war vielversprechend und verhieß eine wirklich lustige Theaterstunde: das Publikum trat ins kleine Concordia-Theater und war Teil des Gastmahles des Trimalchios, das um 60 n. C. der römische Schriftsteller Gajus Petronius unter dem Titel „Satyricon“ aufgezeichnet hat. Berühmt wurde die Geschichte des Emporkömmlings Trimalchio mit seinem Größenwahn, seiner Völlerei und seinen Ausschweifungen durch den gleichnamigen Film von Federico Fellini.

Das Publikum saß also in Plüschsesseln zwischen urkomisch nachgemalter erotischer Bildkunst von Rubens bis Manet, von Ingres bis Margritte mit Kerzenleuchtern, bekamen vom Diener Philargyros echten Sekt spendiert und wurden auf das Freundlichste von den Protagonisten begrüsst. Das Orchester plazierte sich in vier Gruppen dazwischen und Dirigent Stefan Klingele – mit Goldstreifen am Smoking - die Rolle eines Koordinators ein, der sich zwischendurch auch mal ziemlich langweilt und dann eine Runde schläft. Ein mutiges Opfer im Publikum trank den gigantischen Cocktail, den Philargyros gebraut hatte: „Wohlwollend Tabasco“ steht im Rezept mit Gin, Whisky, Martini.

Geschenke wurden verteilt, in den Paketen waren Postkärtchen unseres Gastgebers Trimalchios mit dem römischen Lorbeerkranz auf dem Haupt. Und so nahm das Spektakel seinen Lauf: 1973 uraufgeführt, ist „Satyricon“ des Venezianers Bruno Maderna eins der wenigen gelungen komischen Opern des 20. Jahrhunderts.

Maderna lässt in seinem letzten Werk (er starb 1973 im Alter von 53 Jahren) mit musikalischen Zitaten von Wagner bis Verdi, von Bizet bis Händel, von Gluck bis Puccini, einer kräftigen Verballhornung der Musik der sechziger und siebziger Jahre und fünf verschiedenen Sprachen ein parodistisches Feuerwerk steigen, das ihn als exzellenten Kenner der europäischen Musikgeschichte ausweist. Diese Partitur reißt in jedem Augenblick mit und hat ihren explosiven Höhepunkt in den musikalischen Schichtungen zur ausufernden Erzählung des Trimalchios.

Wie schwer das allerdings zu inszenieren ist, war der Realisierung von Rosamund Gilmore leider anzumerken. Kaum eine andere Oper ist derart angewiesen ist auf die Inszenierung, bzw. auf überragendes schauspielerisches Können der Protagonisten.

Es gibt keine Handlung, sondern „nur“ die Selbstdarstellung der exzentrischen Gäste. Die Verzahnung von SpielerInnen, Orchester und Publikum, die ja der überzeugende konzeptionelle Ansatz Gilmores ist, verlangt mehr Einfälle, größere Präzision und Schnelligkeit und – wie in der Parodie – eine größere und vor allem erkennbare Distanz zum eigenen Tun. Doch damit haben es SängerInnen erfahrungsgemäß schwer.

Mihai Zamfir als Trimalchios mochte sich noch so viel Mühe geben, er blieb ebenso ein traditioneller Opernvertreter wie Sybille Specht als exzentrische Scintilla, wie Christoph Wittmann als braver Habinnas, wie Catherine Stone als Trimalchios durchgeknallte Frau Fortunata, die ihr eigenes Hündchen hinter sich herzieht, mit dem man sie im wirklichen Leben auch im Viertel trifft.

Einzig der Bariton George Stevens, der mehrere Male versucht, über Hänger in einer barocken Koloraturarie hinwegzukommen, verfügt über das notwendige schauspielerische Handwerk. Und als Philargyros brachte Mateng Polkläsener den Unterschied zwischen Sängern und Schauspielern dann unfreiwillig auf den Punkt.

Trotzdem: Es war ein anregender und ausgesprochen lustiger Abend, in dem Nicola Reichert mit den fantasievollen Kostümen einen eigenen kräftigen Akzent setzte. Ute Schalz-Laurenze