„speziallager“
: Wenn Kritik eher ehrt

Natürlich nerven viele der ehemaligen Internierten, die die Lager der sowjetischen Besatzungsmacht nach dem Krieg überlebt haben. Sicherlich kann man die Ausbrüche von Kalter-Kriegs-Traumata der früheren Stasi-Häftlinge nur schwer ertragen. Und zweifellos war einiges zu befürchten, als klar wurde, dass angesichts massiver politischer und finanzieller Unterstützung ausgerechnet das Museum zum sowjetischen „Speziallager“ auf dem Gelände des früheren KZ Sachsenhausen fünf Jahre früher als ursprünglich geplant seine Tore öffnen könne: Würden hier wieder die Schlachten der Vergangenheit geschlagen?

Kommentar von PHILIPP GESSLER

Nach einem ersten Rundgang muss man sagen: Nein. Dass einige NKWD- und SED-Opfer gegen die Ausstellung protestieren, war zu erwarten und spricht eher für sie. Dass auch die russische Regierung durch niedere Chargen Einwände erhebt, wäre ernster zu nehmen, wenn nicht zugleich klar wäre, dass kein russischer Regierungsvertreter die Schau zuvor gesehen hatte, bevor sie von dieser Seite kritisiert wurde. Hier geht es offensichtlich um ein politisches Spielchen, in dem das Museum nur als Spielstein fungiert.

Dass die Ausstellung von diesen beiden konträren Seiten angegriffen wird, sollte deshalb eher als Qualitätsurteil gelten – allerdings eines, das als Ansporn für die Zukunft dienen könnte: Genauso beherzt, wie das „Speziallager“-Museum verwirklicht wurde, wäre nun die Renovierung des langsam verfallenden KZ Sachsenhausen anzupacken. Denn nur durch den Erhalt dieses Erbes erschließt sich die umfassende Aussage dieses deutschen Ortes.

SEITE 23