blaulichtflotte mit stickstoff von RALF SOTSCHECK
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Polizeiautos sind viel unterwegs. Deshalb benötigen sie manchmal neue Reifen. Die irische Polizei hat einen Vertrag mit Advance Pitstop geschlossen, die den polizeilichen Fuhrpark in Schuss halten soll. Die Firma leistet ganze Arbeit. Einem Wagen, der 120.000 Kilometer gefahren war, hat Pitstop 30-mal neue Reifen verpasst – also alle 4.000 Kilometer ein neuer Satz. Zwar sind die Straßen in Irland voller Schlaglöcher, doch um die Reifen in so kurzer Zeit zu ruinieren, hätten die Beamten pausenlos querfeldein fahren müssen.

In Wirklichkeit scheinen sie sich jedoch nur auf der Autobahn fortzubewegen, wenn man Pitstops Akten glauben darf: Bei einem Wagen wechselten sie ständig die Reifen, weil er 142.000 Kilometer gefahren war – in 30 Tagen. Das sind täglich rund 4.750 Kilometer, also 20-mal quer durch die Insel. Um das zu schaffen, hätten die Polizisten im Schnitt knapp 200 Kilometer pro Stunde fahren müssen, und zwar rund um die Uhr und ohne Kaffeepause.

Weil die Fahrzeuge der Garda Síochána – die Polizisten heißen in Irland „Friedenswächter“ – etwas Besonderes sind, füllte Pitstop die Reifen nicht mit ordinärer irischer Luft, sondern mit Stickstoff. Das kostet umgerechnet drei Mark pro Reifen, selbst bei Phantomautos. Pitstop stellte der Polizei komplette Reifensätze für 433 Autos aus, die gar nicht existieren. Obendrein kassierte die Firma 25 Prozent mehr, als sie bei der Ausschreibung veranschlagt hatte. Mit ihrem scheinbar günstigen Angebot hatte Pitstop sechs Konkurrenten ausgestochen.

Nicht nur die Reifen sind in Irland besonderem Verschleiß ausgesetzt, sondern offenbar auch die Ventile: Pitstop rüstete die Polizeiwagen innerhalb von zwei Jahren mit Ventilen für umgerechnet 130.000 Mark aus.

Sind die für den Fuhrpark zuständigen Beamten etwa dümmer, als die Polizei erlaubt? Haben sie nicht bemerkt, dass sie kräftig übers Ohr gehauen wurden? Eigentlich sollte ein Computer die Kosten für die Blaulichtflotte erfassen und auswerten. Die Polizei hatte im Februar 1998 einen modernen Rechner für 120.000 Mark gekauft. Drei Jahre später war das System noch immer nicht betriebsbereit. Als jedoch im Frühjahr die ersten Gerüchte über das besondere Verhältnis zwischen Polizei und Pitstop aufkamen, begann das Elektronenhirn plötzlich zu funktionieren.

Wodurch der Computer solang lahmgelegt war, weiß man nicht genau. Es werden doch nicht die Polizisten selbst gewesen sein? Fest steht, dass hochrangige Beamte, die für das Management des Fuhrparks zuständig sind, auf Kosten von Pitstop in Spanien, Italien und Portugal Urlaub machten. Wer sich für Fußball interessierte, und welcher Ire tut das nicht, durfte manchmal für ein Wochenende nach England zu Fußballspielen der Premier League fliegen. Die Kosten für die großzügige Kundenbetreuung holte die Firma allemal wieder herein: In einem internen Bericht stellte der Kontrollbeamte überrascht fest, dass Pitstop der Polizei innerhalb von zwei Jahren mehr als eine halbe Million Mark zu viel abgeknöpft hatte.