Wechselseitige Schläfrigkeit

Zuerst traut sich der VfL Wolfsburg nicht recht, dann wollen die Bayern nicht mehr: Heraus kommt ein 3:3 und die Fortsetzung der Münchner Sieglosigkeit in der Bundesliga, die langsam prekär wird

aus München KATHRIN ZEILMANN

Statistiken können manchmal falsche Erwartungen wecken. Gegen den FC Bayern München hat der VfL Wolfsburg meistens schlecht ausgesehen und vor allem im Münchner Olympiastadion sind die Wolfsburger immer wieder deutlich geschlagen vom Platz geschlichen. Dem momentan strauchelnden Rekordmeister (drei sieglose Spiele in der Bundesliga) schien Wolfgang Wolfs Truppe aus Niedersachsen gerade recht zu kommen.

Doch diese Annahme war falsch, wie sich nach 90 Minuten im frostigen, nur mäßig gefüllten Stadion herausstellte. In den ersten zwanzig Minuten des Spiels war die Rollenverteilung ganz die alte. Wolfsburg war schüchtern, stand immer zu weit vom Gegner – Trainer Wolf nannte es später „Ehrfurcht und Schläfrigkeit“ –, die Bayern flankten, Pizarro und Elber trafen. Dann war erst einmal Schluss, einem FC Bayern, so hatte man den Eindruck, reicht ein 2:0. Wozu weitere Anstrengungen?

Der Anschlusstreffer des Gegners schien nur eine kleine Ergebniskorrektur, doch nach der Pause machte Dietmar Kühbauer plötzlich das Tor zum 2:2. „Ich habe die Mannschaft in der Kabine zum offenen Schlagabtausch ermutigt“, sagte Wolfgang Wolf. Seine Mannen befolgten die Weisung und ließen auf Pizarros 3:2 erneut den Ausgleich folgen: Maric stand zwar im Abseits, der Schiedsrichter übersah das aber, und so erzielte der Spieler mit einem Kunstschuss den Treffer zum 3:3-Endstand.

Sichtliche Zufriedenheit bei den Wolfsburgern: „Endlich hat das Münchner Publikum unser wahres Gesicht gesehen“, frohlockte Wolf, und Torschütze Maric verkündete mit breiter Brust: „Wir haben heute gezeigt, was wirklich in uns steckt.“ Dagegen wusste der Champions-League-Sieger aus München nicht recht, was man sagen sollte, geschweige denn, wie es weitergehen soll. Leverkusen ist sechs Punkte enteilt, auf der aktuellen Tabelle findet sich der FC Bayern nur auf Platz vier, überholt von Kaiserslautern und Dortmund. „Das ist bedauerlich“, ließ Präsident Franz Beckenbauer mit fast stoischer Ruhe (der vermutlich bald ein Donnerwetter folgen wird) wissen. Der gescholtenen Defensive wollte er nicht alleine den schwarzen Peter zuschieben, in Oberlehrermanier erklärte er: „Abwehr fängt schon vorne an. Deshalb hat die Abwehr heute keine Schuld, sie wurde allein gelassen.“

Fahrlässigkeit kritisierte Bayerntrainer Ottmar Hitzfeld: „Wir haben zu viele Fehler gemacht“. Sonst fiel ihm nicht viel ein, außer der Erkenntnis, dass aus Aufbaugegner Wolfsburg eine Mannschaft geworden ist, „die uns alles abverlangt hat“. In der vergangenen Woche hatte er Manager Uli Hoeneß, der meinte, die Bayern-Kicker sehnten sich die Winterpause herbei und seien müde, noch heftig widersprochen. „Voll im Saft“ stehe man, „wir könnten auch den Winter durchspielen“. Dem ist wohl nicht so, der FC Bayern wird die Auszeit in der Liga dringend brauchen, um Reserven wieder aufzufüllen und wieder in Form zu kommen.

„Ja, wir sind in einem kleinen Tief“, gestand denn auch Hitzfeld später ein. Vier Spiele ohne Sieg hatte der sonst so erfolgreiche Coach mit den Münchnern in der Bundesliga noch nie zu verkraften. „Jeder muss für sich selbst schauen, wo es fehlt“, wandte sich Mehmet Scholl, der nach vier Monaten Verletzungspause wieder von Beginn an dabei war, schon einmal gegen Ursachenforschung im Kollektiv. Und fast schon zynisch merkte Stürmer Giovane Elber an: „Wir schießen einfach zu wenig Tore.“

Auch wenn Stefan Effenberg wieder zurückkehrt, muss es nicht unbedingt besser werden, wie die letzten Spiele mit dem Kapitän gezeigt haben. Und Torwart Oliver Kahn, der ebenfalls verletzt auf der Tribüne saß, wird die Defensive nicht im Alleingang wieder stabilisieren können – zumal Vertretung Stefan Wessels seine Aufgabe nicht schlecht löste.

Es ist in München nach besorgniserregender Erfolglosigkeit passend zum zweiten Advent die Zeit der Wünsche angebrochen. Zu Weihnachten wieder oben stehen, das wäre es, meinte Mehmet Scholl fast sehnsüchtig. Aber wenn er genau nachrechnet, wird er merken, dass das bei sechs Punkten Rückstand auf die Spitze und noch zwei ausstehenden Spielen sehr knapp werden dürfte. Und angesichts der momentanen Müdigkeit ist das tatsächlich nur reines Wunschdenken.

Bayern München: Wessels - Sagnol, Kuffour, Robert Kovac, Lizarazu, - Niko Kovac (75. Jancker), Thiam, Hargreaves, Scholl (60. Sergio) - Elber, Pizarro (69. Zickler)Wolfsburg: Reitmaier - Biliskov, Franz, Schnoor (24. Rau), Kryger - Karhan - Kühbauer, Munteanu - Ponte (90. Sarpei), Maric (83. Klimovizc), Petrow Zuschauer: 37.000; Tore: 1:0 Pizarro (11.), 2:0 Elber (18.), 2:1 Maric (45.), 2:2 Kühbauer (52.), 2:2 Kühbauer (52.), 3:2 Pizarro (55.), 3:3 Maric (71.)