„Afghanistan ist mein Nachbar“

Die deutsche Musikerin und Entertainerin Nina Hagen über ihre Initiative zur Hilfe für afghanische Frauen

taz: Afghanistan braucht nach den Zerstörungen dringend Hilfe. Es droht Hunger, Familien brauchen Häuser, Arbeit, Frauen müssen wieder normal leben dürfen – wo wollen Sie helfen?

Nina Hagen: Afghanistan ist mein Nachbar, denn der Fernseher ist unser Fenster zur Welt. Als ich die Bilder gesehen habe, hat sich mein Herz umgekrempelt und ich dachte, da muss ich was tun. Ich hab dann vor einigen Wochen ein Interview gelesen mit der Gattin des Botschafters der Islamischen Republik Afghanistan in Berlin, Anisa Jayhoon. Wo bleiben die Frauenkämpferinnen dieser Welt?, fragte sie. Irgendwie fühlte ich mich angesprochen und suchte im Internet. Da habe ich die afghanische Frauengruppe Rawa gefunden.

Das war alles erst nach dem 11. September. Hätte die Welt nicht vorher helfen können?

Ja, schrecklich eigentlich. Das müssen wir uns wirklich vorwerfen. Um das aber wieder gutzumachen haben sich nun ganz spontan ganz wunderbare Frauen zusammengefunden. Zusammen wollen wir das Rawa-Benefiz am 23. Dezember im Berliner Tempodrom gestalten.

Wer ist dabei?

Meine Tochter Cosma, meine Mutter, Nena, Meret und Ben Becker, Katja Riemann, Ulla Meinecke, Judy Winter, Ina Deter, Luci van Org und viele, viele mehr.

Das Geld der Benefiz-Gala soll gezielt einem Projekt der Rawa-Frauen zukommen.

Ja, nämlich dem Malalai-Hospital im pakistanischen Quetta. Das Krankenhaus, das pro Tag rund 400 Patienten behandeln könnte, musste kürzlich aus finanzieller Not schließen.

Wie kommt denn das Geld sicher nach Quetta?

Die Aufsicht darüber übernimmt amnesty international, das Geld geht über ein Konto einer Evangelischen Kirchengemeinde dann an das Auswärtige Amt und von dort an die Deutsche Botschaft in Islamabad, die es dann den Rawa-Frauen übergibt. Mit dabei ist auch Karola Schaaf, die Afghanistan-Koordinatorin von ai. Die Rawa-Leute haben uns von ihr erzählt, daher haben wir sie kennen gelernt und sind umgekippt, weil die schon 81 oder so ist, aber total aktiv. So kam eine Frau nach der anderen dazu, auch Claudia Roth, die die Schirmherrschaft übernimmt.

Über Rawa gibt es ja Gerüchte, dass . . .

. . . was, dass das unter den Burkas alles Männer sind?

Nein, dass Rawa nach innen eine recht stramm geführte Organisation mit tendenziell maoistischer Ideologie sein soll.

Ich finde es fehl am Platze hier irgendwelche Vermutungen aufzustellen. Jetzt gilt es erstmal, das Krankenhaus in Betrieb zu bringen. Wir wissen ja, dass noch viele Landminenopfer zu erwarten sind, nachdem die restliche Welt ihre Geschäfte dort gemacht hat. Das Wichtigste ist doch jetzt, den Kranken und Verletzten dort zu helfen. Der Frieden kehrt langsam ein und im Laufe der Demokratisierung werden wir die Rawa-Frauen und ihre Organisation beäugeln dürfen. Was ich bislang über sie und von ihnen weiß, verdient einfach unsere Hochachtung und Hilfe. Ganz einfach. INTERVIEW:
ADRIENNE WOLTERSDORF