Christbaumwissenschaften

Der Baum ist mehr als nur Stilfrage. Bedürfnisse wie Kindersicherung spielen bei der Auswahl eine Rolle  ■ Von Alexandra Frank

„Oh Tannebaum, wie grün sind deine Blätter“, heißt es in einem bekannten Weihnachtslied, das man alle Jahre wieder unbekümmert mitsingt. Dass ein Tannenbaum jedoch keine Blätter, sondern Nadeln hat, ist jedem, der beim Schmücken piksige Erfahrungen gemacht hat, bewusst. Und wer sich im Vorweihnachtsgeschäft auf die Suche nach einem repräsentativen Objekt für das Wohnzimmer gemacht hat, wird wissen, dass Grün nicht gleich Grün ist. Mit anderen Worten: die Wahl des richtigen Weihnachtsbaumes ist nicht so einfach, wie sie scheint. Nobilis-Tanne, Koreatanne, Rot- und Blaufichte, Nordmanntanne oder Omorika, angesichts dieser klangvollen Namen fällt eine Entscheidung schwer, so dass zumeist nach den Kriterien Preis oder Aussehen vorgegangen wird. Hauptsache groß, buschig und trotzdem nicht zu teuer soll er sein, der Christbaum.

„Marktführer unter den Weihnachtsbäumen wird auch in diesem Jahr wieder die Nordmanntanne sein“, berichtet Frank Schoppa, Geschäftsführer im Landesverband Schleswig-Holstein im Bund deutscher Baumschulen. Rund 50 Prozent aller Käufer würden auf die zumeist gleichmäßig gewachsene Baumart zurückgreifen. Lange Jahre sei die Rotfichte absoluter Klassiker gewesen, doch da diese eher dünne Äste hat und deshalb bei allzu schwerem Baumschmuck gerne durchhängt, musste sie ihrer Konkurrentin, der „Abies nordmanniana“, alias: Nordmanntanne weichen. Schließlich wollen viele deutsche Familien den Baum nicht mit einer künstlichen Lichterkette, sondern mit echten Kerzen schmücken und dafür sind stabile Äste gefragt, soll der Abend kein böses Ende nehmen. „Am Weihnachtsbaum die Lichtlein brennen“ schallt dementsprechend bevorzugt unter der robusten Nordmanntanne hervor. Die aus dem Kaukasus stammende Baumart nadelt zudem weniger, was für Weihnachtsbaumkäufer, die ihren Baum länger als nur über die Festtage nutzen wollen, ein entscheidendes Argument ist. Immerhin haben 75 Prozent aller Käufer ihren Christbaum noch bis zur zweiten Januarwoche in der Wohnstube. Dennoch steht die Rotfichte im Trend noch recht weit oben. Nicht nur, weil sie wohl die preiswerteste Variante unter den Nadelbäumen darstellt, sondern auch, weil sie für viele das klassische Weihnachtsbaumbild erfüllt. Viele Kunden greifen auf die Rotfichte zurück, weil dieser Baum eine jahrzehntelange Familientradition hat.

Für Baumschulmeister Klaus Mohr, der seit 30 Jahren im Weihnachtsbaumgeschäft ist, steht trotz anhaltender Beliebtheit anderer Bäume fest: „Wer einmal eine Nobilis-Tanne gehabt hat, wird sie immer wieder nehmen.“ Sie steche nicht, nadele auch nach mehreren Wochen in geheizten Räumen nicht und habe breit ausladende und tragfähige Äste. Auch für Jan Malskat, stellvertretender Revierleiter im Duvenstedter Brook, ist die Nobilis-Tanne „der Rolls-Royce unter den Weihnachtsbäumen“. Mit 43 Mark pro Meter gehöre sie allerdings nicht gerade zu den preiswerteren Varianten. Dafür schimmere sie im edlen Silber-Blau.

Ebenfalls bläulich schimmert, welch Wunder, die blaue Stechfichte. Der Name beschreibt aber auch die negative Eigenschaft des Baumes: er ist enorm piksig. „Das hat allerdings den Vorteil, dass der Baum kindersicher ist“, schmunzelt ein Baumverkäufer. Dieser Vorteil kann natürlich auch schnell zum Nachteil werden, denn oft genug wollen zarte Kinderhände beim alljährlichen Baumschmücken behilflich sein. Wer tränenreiche Dramen vermeiden will, sollte deshalb lieber zu einem anderem Nadelgewächs greifen. Nicht ganz so stachelig ist die Douglasie, eine nordamerikanische Fichtenart, die sich durch weiche Nadeln auszeichnet. Doch auch hier ein Haken: sie harzt sehr stark, so dass sich manch ein Käufer überlegt, ob er wirklich einen nicht stachelnden Baum, aber dafür ein verharztes Auto haben möchte, denn der Nadelbaum muss ja von der Baumschule noch nach Hause kommen.

Nicht zuletzt ist die Herkunft eines Baumes für den Käufer ausschlaggebend, was sich nicht zuletzt auch im Preis niederschlägt. Während bis in die fünfziger Jahre alle Weihnachtsbäume von „draußen vom Walde“ stammten, kommen heute mehr als 80 Prozent aller Christbäume aus angelegten Plantagen. Diese belasten aber durch den Gebrauch von Insektengift und Dünger oft die Umwelt. Naturschutzverbände wie „Robin Wood“ oder der „Nabu“ raten deshalb zu sogenannten Öko-Weihnachtsbäumen, also solchen, die aus ökologisch bewirtschafteten Wäldern stammen. Zu bekommen sind die extra gekennzeichneten Bäume in den acht Hamburger Revierförstereien. Dorthin kann man die Topfbäume nach Absprache auch nach Weihnachten wieder zurückbringen, wo sie vom Förster wieder in den Wald gesetzt werden.