Can't keep an old band down

■ Eine Perle aus den Lautsprechern der Vergangenheit schimmerte im Aladin: Uriah Heep – ein biographieträchtiges Konzert

Der erste Uriah Heep-Song, den ich in meinem Leben hörte, war die Ballade „Come Back to Me“, die sich ganz am Ende einer reichlich schrottigen Compilation aus den Siebzigern befand, welche ich im Plattenschrank meiner Eltern gefunden hatte. Nachdem ich mich durch akustische Brechmittel wie Amanda Lears „The Sphinx“ oder „Rasputin“ von Boney M gequält hatte, tönte ganz unverhofft diese Perle aus den Lautsprechern.

Der Song war anders als alles, was ich zuvor gehört hatte. Erst als ich mir die erste Best of-Scheibe der Heeps besorgt hatte, wurde mir klar, dass es sich dabei um den unverwechselbaren Uriah Heep-Sound handelte: heavy, psychedelisch, progressiv, theatralisch und mit einer Melancholie, die sich vor allem durch Ken Hensleys leicht schräg flötende Hammondorgel ergab. „Come Back to Me“ schlug eine Saite in mir an, von der ich zuvor noch nicht einmal gewusst hatte, dass sie existierte. Ich wollte mehr davon.

Und jetzt – Jahrzehnte nach der Veröffentlichung dieses Songs sitze ich – wieder mal – im Aladin und warte – wieder mal – auf den Auftritt einer Band, die ihre großen Jahre vor meiner Zeit hatte und die ich dennoch auf seltsamen Wegen kennen und lieben gelernt habe. Zunächst mühen sich aber „Chalice“ (sprich: Schaließ) aus Hamburg ab, etwas Stimmung in die noch spärlich gefüllte Bude zu bringen. Vergeblich, denn sie sind einfach zu langweilig. Auch Wah-Wah und Schweineorgel ändern nichts daran, dass sie meist wie eine schlechte Kopie der schlechten Band „Survivor“ klangen.

Sie räumten dann die Bühne für „Mostly Autumn“ – und während es draußen mostly Winter ist, schafften diese Briten es, den Herbst ins Aladin zurückzuholen. Ich habe selten so etwas Schönes gehört. Zwei Gitarren und zwei Sängerinnen, die auch mal zu Querflöte oder Blockflöte (!) greifen, zaubern einen dichten, konsequent retroromantischen Klangteppich in den Raum, dass einem die Augen nass werden. Songwriting vom Feinsten, Arrangements, die trotz aller Progressivität melodische Spannungsbögen aufweisen, bei denen man sich ein ums andere Mal fragt, woher denn zum Teufel diese brillanten Ideen kommen - man sollte meinen, es sei mittlerweile so ziemlich alles komponiert worden, was komponiert werden kann. Ist es aber nicht. Ich denke, diese erst seit knapp vier Jahren bestehende Band wird in nächster Zeit in den entsprechenden Kreisen für Furore sorgen – zum Beispiel mit ihrer Platte „The Story so Far“.

Jetzt aber zu Uriah Heep. Oder besser gesagt: zu den Überbleibseln von Uriah Heep. Denn von der ursprünglichen Formation sind nur noch Gitarrist Mick Box und Drummer Lee Kerslake vorhanden. Alle anderen sind entweder ausgestiegen oder gestorben. Aber keine Angst, der Ersatz – zum Beispiel Sänger Bernie Shaw – sieht genauso alt aus. Rein optisch fällt es also kaum auf. Schade nur, dass Shaw durchgängig eine Oktave höher singt als die anderen Frontmänner (es dürften mittlerweile ungefähr fünf gewesen sein). Das nimmt vielen der Songs etwas von ihrem knödeligen, breiten Charme.

A propos breit: Kerslake wiegt mittlerweile 180 Kilo und Bassist Trevor Bolder ähnelt mit seiner Wischmop-Frisur Garth aus Wayne's World. Jetzt aber genug über Äußerlichkeiten gelästert, schließlich können die Beinahe-Rentner noch sehr anständig rocken. Und haben –ne Menge Spaß dabei. Genau wie das Publikum, das neben Selbstverständlichkeiten wie „Gipsy Queen“, „Look at Yourself“ und „Easy Livin'“ einer ganzen Reihe von Klassikern lauschen darf, die es schon seit Jahrzehnten nicht mehr live zu hören bekam. Zum Abschluss gibt's dann noch das unvermeidliche „Lady in Black“ mit ebenso unvermeidlicher audience participation. Zugegeben: Selten haben zwei Akkorde so schön geklungen. Schmerzlich vermisst habe ich allerdings Songs wie „Rainbow Demon“, das mich einmal Mautgebühren kostete, weil ich in Frankreich mitgrölend an der letzten Ausfahrt vor der Zahlstelle vorbeirauschte. Auch „Come Back to Me“ haben sie nicht gespielt. Das hätte allerdings mit Bernie Shaws kieksiger Stimme wahrscheinlich auch reichlich albern geklungen. Tim Ingold