Appell an die Humanität

Am Internationalen Tag der Menschenrechte protestieren Flüchtlingsrat und Pro Asyl vor der Innenverwaltung gegen die Abschiebehaft von minderjährigen Flüchtlingen

„Flucht ist kein Verbrechen“, heißt es auf einem der Transparente der kleinen Mahnwache gegen Abschiebehaft vor dem mächtigen Verwaltungsgebäude des Senats für Inneres. Insbesondere minderjährige Flüchtlinge dürften nicht automatisch in Abschiebehaft genommen werden, fordert Hartwig Berger, ehemaliger migrationspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeornetenhaus. Schließlich sei der Beschluss unter der rot-grünen Koalition „das schwere Zwangsmittel des Freiheitsentzuges deutlich seltener gegen Flüchtlinge“ anzuwenden einer der größten Erfolge der Politik seiner Partei gewesen.

„Brüskierend“, so Berger weiter, sei nun die Art und Weise, wie die Innenbehörde unter Senator Ehrhart Körting (SPD) den Willen der Abgeordneten ignoriere. Das Parlament hatte im September den Senat beauftragt, Verfahrensregeln zur Vermeidung von Abschiebehaft einzuführen. Danach sollten unter anderem Minderjährige, Schwangere und Frauen mit Kindern grundsätzlich von dieser Haft verschont werden. Dennoch, so Berger, säßen derzeit rund 350 Flüchtlingen hinter Gittern – mehr als unter Körtings christdemokratischen Vorgänger Eckart Werthebach. Die Innenverwaltung beruft sich auf das bundesweite Ausländergesetz. Danach sind Flüchtlinge ab 16 Jahren asylmündig – und können inhaftiert werden.

Besonders schwerwiegend sei die Inhaftierung von 15 bis 20 Jugendlichen, kritisiert Berger. Diese säßen mindestens zwei bis sechs Monate im Knast unter Bedingungen, die für Erwachsene gelten. Sie müssten „ohne Perspektive, Hilfe und familiäre Kontakte ausharren“. Aufgrund der extrem psychischen Belastung sei es zu Suizidversuchen gekommen.

Seit eineinhalb Jahren betreut Pfarrer Dieter Ziebarth, evangelischer Seelsorger im Abschiebegefängnis Grünau, auch jugendliche Häftlinge. Diese seien auf der Straße oder bei einem Polizei-Check von Billig-Call-Shops aufgegriffen worden. Ziebarth plädierte dafür, dass minderjährige Flüchtlinge zunächst in das „Clearing Center“ der Senatsjugendverwaltung in Pankow gebracht werden. Dort könne ihre individuelle Situation geklärt und ihr Asylverfahren mit professioneller Hilfe betrieben werden.

Abschiebehaft sei eine der „schlimmsten Menschenrechtsverletzungen gegenüber Migranen“, erklärte der Koordinator des Berliner Flüchtlingsrates Jens-Uwe Thomas, bei der Protestversammlung. Zudem verstoße die Inhaftierung von Minderjährigen gegen die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, betonte Heiko Kaufmann, Sprecher von Pro Asyl.

Der Flüchtlingsrat appellierte an den Senat „ein Zeichen der Humanität zu setzen“. Kinder gehörten nicht hinter Gitter. Jugendliche sollten für die Zeit ihres Asylverfahrens in Heimen betreut werden, zumal die Heimatbehörden häufig erst nach Monaten bereit sind, die angeforderten Papiere auszustellen.

INGEBORG WOITSCH