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wo die stilblüten blüh’n (1): textiles gestalten von HOLGER WICHT

Saisonbedingt habe ich mich im jüngst verblichenen Sommer mal wieder verstärkt mit T-Shirt-Fragen auseinander gesetzt. Zuvorderst kommt mir in T-Shirt-Diskursen stets dieses Hamburger Exemplar für die Zielgruppe der jungen Hüpfer in den Sinn, über das mich einmal Freund und Kollege Dr. D. in Kenntnis setzte, den ich unter anderem für seine seriösen Jugendkulturexpertisen schätze. Dr. D. war er es, nebenbei bemerkt, auch, der mir von einem Friseur berichtete, der in der Hafenstadt einen ganz besonderen Service anbot: „Augen braun färben“. Das hippe Juveniltextil glänzte nun durch Kundennähe in der eingenähten Waschanleitung. Da stand doch tatsächlich: „Mutti macht das schon!“ Fetten Respekt, liebe Texter!

Seit ich die Waschanleitung als potenzielles Medium für Kurzkomik entdeckt habe, schaue ich selbstverständlich immer gleich nach. Zum Beispiel, als ich mir anlässlich einiger feierlicher Outdoor-Anlässe ein Club-Wear-Shirt aus dem Midprice-Segment zugelegt hatte, also ein überteuertes Polyesterhemdchen. 30 Grad und so weiter, alles klar, aber Achtung: „NICHT TROCKENSCHLENDERN!“ Vorbei war’s mit meiner schönen Angewohnheit, lässig zum Umsonst-und-draußen-Ereignis zu spazieren, wo frisch Gewaschenes am Leibe die optimale Tanztrockenheit erreicht zu haben pflegt. Wer, bitte schön, stellt denn Klamotten her, die am Trockenschlendern Schaden nehmen? Die Italiener sind’s!

Ich also sofort nach Italien. Ohnehin war die seit Menschengedenken für Poeten obligate Italienreise lange überfällig. Kaum in Rom gelandet, wandelte ich ordnungsgemäß auf den Spuren Goethes. Naja, auf einer Spur des „Dichterfürsten“, wie andere Feuilletons an dieser Stelle schreiben würden, weil Wortwiederholungen pfui sind, selbst wenn das Wort „Goethe“ ist. Der Geheimrat jedenfalls pflegte bei seinen Aufenthalten im Stiefelland bisweilen in einer römischen Osteria zu speisen, die nun auch ich besuchte, wenn auch nur zufällig. Dass des „Werther“-Autors Weg sich zeitversetzt mit dem meinen kreuzte, erfuhr ich übrigens von einer Hinweistafel neben der Klotür.

Apropos Klo: Mit vollem Magen zog es mich nach Florenz, wo die Italiener anlässlich des so genannten Heiligen Jahres eine erkleckliche Anzahl öffentlicher Komfort-und-zurück-Toilettenhäuschen errichtet haben, die nun als Touristenmagnet dienen sollen. Anders lässt sich nicht erklären, warum sie auf farbigen Faltblättern beworben werden. Jede Bedürfnisanstalt hat eigene Öffnungszeiten, manche halten Angebote für spezielle Bedürfnisse bereit, zum Beispiel Räume für „Baby Change“. Ich begann Zweifel zu hegen an den Bräuchen dieses angeblich so kinderlieben Landes. Oder hat mir bloß mein Englisch einen Streich gespielt? Egal, mein Verhältnis zu den Verfassern der Toilettenwerbung war ohnehin versäuert, denn Babys heißen auf Italienisch Neonati, und an dieser Stelle hätte man mir ja wohl einen kleinen Tippfehler gönnen können. Doch ich sollte bald reichlich entschädigt werden – davon und von Sprachknoten demnächst mehr . . .

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