Weniger Geld, wenn alles friedlich scheint

Wer als Soldat im Ausland verunglückt und Rechtsansprüche geltend machen will, gerät in die deutsche Paragrafenfalle: Handelt es sich um eine „Wehrdienstbeschädigung“, einen „qualifizierten Dienstunfall“ oder hätte man auch in Düsseldorf vom Barhocker stürzen können?

BERLIN taz ■ Wer als Bundeswehrsoldat ins Ausland geht, landet sogleich im Paragrafendschungel. „Eigentlich müsste jede Einsatzkraft ein Soldatenversorgungsgesetz im Rucksack haben“, stöhnt Hans-Joachim Ahnert, Rechtsexperte beim Deutschen Bundeswehrverband in Bonn, einer Art Lobbyverband für Soldaten.

Die Probleme fangen bei der Festsetzung des so genannten Auslandsverwendungszuschlags an und werden größer, wenn ein Soldat im Ausland verletzt oder gar getötet wird. Ahnert klagt: „Da müssen oft heftige Kämpfe vor den Gerichten ausgefochten werden.“

Stichwort Auslandsverwendungszuschlag: Zusätzlich zum Sold haben die Soldaten im Ausland Anspruch auf diesen Zuschlag, der je nach Gefährdungsstufe zwischen 50 und 180 Mark am Tag variieren kann. Bei den Einsätzen rund um den Afghanistan-Konflikt geht der Bundeswehrverband zwar heute vom höchsten Risikozuschlag in Höhe von 180 Mark aus. „Doch das kann sich ändern“, sagt Ahnert.

Damals in Exjugoslawien reisten Beamte an, um die aktuelle Risikolage vor Ort zu prüfen. „Wenn dann die Sonne scheint, die Vögel singen und alles friedlich wirkt, stufen die den Zuschlag sehr zum Ärger der Soldaten herunter“, schildert Ahnert. Als während des Kosovo-Konflikts dann doch ein Leutnant auf eine Mine trat, besannen sich die Beamten eines Besseren „und gingen wieder hoch auf den Bedrohungszuschlag von 180 Mark, wegen der besonderen Gefährdungslage“.

Auch bei der Bewertung von Unglücken im Ausland gibt es Grenzfälle. Grundsätzlich gilt: Stirbt ein Soldat im Kampfeinsatz, ist die Sache klar. Es handelt sich um einen „qualifizierten Dienstunfall“ mit entsprechenden Ansprüchen auf Pension, Rente und bestimmte einmalige Entschädigungszahlungen.

Wer dagegen mit dem Jeep während eines dienstlichen Einsatzes, aber außerhalb von Kampfhandlungen, in einen Graben gerast ist, bekommt Leistungen wegen „Wehrdienstbeschädigung“. Dabei liegen die Pensionsansprüche für Berufssoldaten etwas niedriger als beim „qualifizierten Dienstunfall“.

Aber auch wer im Rahmen eines Auslandseinsatzes in Krisen- oder Kriegsgebieten abends in einer Bar vom Hocker fällt, hat Anspruch auf Leistungen wegen „Wehrdienstbeschädigung“, weil man bei solchen Auslandseinsätzen in der Regel nicht zwischen einer Dienst- und einer Freizeit unterscheidet. Aber es gibt strittige Fälle. Ahnert erinnert an einen Fall in Kroatien, wo einem Soldaten nach einem Sturz in einem Lokal eine Entschädigung vorenthalten wurde mit dem Argument, ein solcher Unfall hätte ihm ja auch in der Heimat passieren können.

Bekannt geworden ist auch der Fall des Stabsarztes, der auf einer Mission im Kosovo mit einem Panzer von einer Brücke stürzte und dabei ums Leben kam. Die Witwe wollte neben der Hinterbliebenenversorgung auch eine einmalige Entschädigungszahlung laut Auslandsverwendungsgesetz. Auch diese Forderung, so Ahnert, wiesen die Gerichte ab mit dem Argument, der Unfall hätte so auch in Deutschland geschehen können.

Selbst bei der Definition des „qualifizierten Dienstunfalls“ gibt es kuriose Fälle in der Rechtsprechung. Die Witwe eines in Deutschland bei einer Übung tödlich verunglückten Fallschirmspringers klagte auf „qualifizierten Dienstunfall“ und wurde vom Gericht abgewiesen, schildert Ahnert. Das Argument des Gerichts: Der Mann hätte vorher kundtun müssen, dass er sich bewusst darüber sei, bei der Übung zu Tode kommen zu können.

Kriegseinsätze wie in Afghanistan mögen medienträchtig sein – statistisch bedeutsamer sind die Alltagsfälle in Deutschland, in denen Soldaten nach Unfällen oder Krankheiten um ihre Rechte kämpfen. Der Deutsche Bundeswehrverband gewährt ihnen Rechtsschutz. Ahnert: „Im Schnitt haben wir täglich etwa eine Verhandlung wegen eines Wehrdienstbeschädigungsfalles“.

BARBARA DRIBBUSCH