Send me an Angel(a)

■ Immer blond sein und durch die Lüfte fliegen? Es geht auch anders. 27 Engel sind im Kapitel 8 gelandet

Engelalarm! Man sieht, hört und kauft sie derzeit all überall: Beim gepflegten oder gestressten Gang über den Weihnachtsmarkt, Zappen durchs Werbefernsehen, als Backförmchen, Christbaumschmuck oder gar auf Boxershorts gedruckt. Angesichts derart geballt auftauchender Engelgeschwader stellt sich schnell die Frage, ob man all die Himmelsboten wirklich braucht, ob sie außer zur Intensivierung weihnachtlicher Atmosphäre noch einen Auftrag haben.

Den haben sie bestimmt, denn nicht nur zur Zeit verstärkter, weil vorweihnachtlicher oder aus Terror-Angst resultierender Harmoniesucht helfen diese Luftwesen, wo sie nur können. Ob Angela (vom lateinischen angelus = Engel) Merkel den rettenden Engel der CDU gibt, sich fünf Nachwuchsbardinnen zwar erst radikal als Nicht-Engel ausweisen, sich dann aber besinnen um der Hörerschaft von MTVIVA schließlich reumütig und entzückend zu verkünden: „There must be an angel“.

Oder der blondgelockte Engel Nina Ruge allabendlich auf's Neue die frohe Botschaft „Alles wird gut“ herausposaunt: Engel sind von der immerguten Seite. Wir brauchen sie und sie brauchen uns! Denn an wem sollten sie all ihre guten Taten vollbringen, wenn nicht an uns bedürftigen Menschenkindern, die sich stets einen oder besser mehrere Schutzengel an die Seite wünschen in der chaosgebeutelten Welt?

Obige Beispiele aus der Welt der Stars und Sternchen lassen ja vermuten, dass Engel stets weiblich sind. Zudem dichten wir ihnen gerne Flügel an, sie müssen ja irgendwie den weiten weiten Weg vom Himmel auf sich genommen haben. Ferner haben sie goldblondes Haar, himmelblaue Augen und sind – hach – einfach schön... Es lebe das Klischee! Doch Engel können auch anders, anders aussehen und andere Sachen machen, als bloß doof an Christbaumzweigen rumhängen oder seelig Popsongs trällern.

Einige von ihnen sind seit Sonntag im Kapitel 8 des Evangelischen Informationszentrums stationiert und geben geduldig Aufklärung darüber, wie Engel ansonsten noch so aussehen können. 27 zumeist Bremer KünstlerInnen haben sich anlässlich der Ausstellung „Mein Engel“ mit eigenen Engelsbildern auseinandergesetzt. Doch nicht nur freischaffende Profis versuchten sich an der Darstellung: Viele der Objekte stammen von Hobby-Künstlern, auch ein Bild von KleinKünstlern aus dem Kindergarten der Horner Gemeinde II ist dabei.

Die wissen's offenbar ganz genau, wie so ein Engel aussieht, denn auf ihrem comichaften Werk mit dem vielversprechenden Titel „Alles über Engel!“ stehen unter den gemalten Figuren klärende Sätze, die erste Indizien liefern: „Engel sind Fahrradkuriere von Gott. Die fliegen im Himmel rum. Sind gelb und weiß. Das sind Leute, die haben Flügel und blonde Haare...“ Aha! Also auch hier die weitverbreitete Engelsvorstellung.

Doch die Ausstellung kennzeichnen auch abstrakte Engelsbeschreibungen. Theresia Gerdings „Malheur“ etwa zeigt fünf kleine und sehr fragil anmutende Objekte, zum Schutz in einer Vitrine verwahrt, die zum vorsichtigen Umgang mit Engeln raten. Daneben ein kurzer warnender Text, der vermuten lässt, welch Übel dabei entstehen kann, wenn man sich einen zarten Engel allzu forsch „angelt“: Mengel, Zwengel, Gedrengel...

Christian Holtmann Schulte hängte einfach einen Handspiegel vor eine Blumentapete und trägt damit einiges zur weiteren Aufklärung bei. Als hätten wir das nicht schon immer geahnt: Der Engel steckt vorrangig in uns selbst. Bei wem das nicht der Fall ist, aus welchen Gründen auch immer, der möge sich getrost den Engelmantel beziehungsweise die Engelhaut von Hermine Haase überstreifen, sich also tarnen wie der Wolf im Schafspelz, falsche Blondlocken aufsetzen und lauthals beständig wiederholen: „Alles wird gut, alles wird gut.“ Roland Rödermund

Bis zum 26. Januar im Kapitel 8 (Domsheide): Montag bis Freitag 12.30 Uhr bis 18.30 Uhr, Samstag von 11 bis 14 Uhr