Rom will raus aus der Isolation

Regierungschef Silvio Berlusconi zeigt sich beim europäischen Haftbefehl kompromissbereit. Wenn einige Gesetze Italiens geändert würden, könne man den bisherigen Widerstand aufgeben. Lega Nord mobilisiert gegen „Galgenland“ EU

aus Rom MICHAEL BRAUN

Gestern Nachmittag trafen in Rom Belgiens Premier Guy Verhofstadt – derzeit EU-Ratsvorsitzender – und Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi zusammen, um einen Kompromiss für den europäischen Haftbefehl auszuhandeln. Italiens Veto hatte in der letzten Woche das Vorhaben der EU blockiert, den Euro-Haftbefehl auf den Weg zu bringen – um den Preis allerdings, dass Roms Regierung sich gegenüber den 14 anderen EU-Staaten isoliert fand.

Die wenig attraktive Aussicht aber, ausgerechnet auf dem Feld der Verfolgung von Korruption und Geldwäsche auszuscheren, zwang Berlusconi, seine in den Vortagen geltend gemachten „prinzipiellen“ Bedenken hintanzustellen. Während der Verhandlungen in Brüssel hatte Italiens Justizminister Roberto Castelli zunächst mitgeteilt, die von Belgien vorgeschlagene Liste mit 32 Verbrechen sei „zu lang“ und schwäche deshalb den „Kampf gegen den Terrorismus“.

In den Folgetagen argumentierte die Rechtskoalition dann noch grundsätzlicher. Der europäische Haftbefehl sei ein inakzeptabler Eingriff in die Bürgerrechte; erst müsse eine europäische Verfassung her, dann könne man auch über „europaweite Handschellen“ reden. Und während noch Außenminister Renato Ruggiero vor den Gefahren europaweiter Isolation warnte (damit aber in der Regierung ziemlich isoliert dastand), sah die Lega Nord – zu ihr gehört der Justizminister – die Gelegenheit gekommen, generell mit Europa abzurechnen. Auf einer Großkundgebung in Mailand schmähte Lega-Chef Umberto Bossi die EU als „Galgenland“.

Wenn man der Turiner Tageszeitung La Stampa glauben darf, machen Roms Regierung vor allem die Rechte eines bestimmten Bürgers Sorgen: Silvio Berlusconi habe in der letzten Woche bei einem Mittagessen mit den 14 Botschaftern der EU-Staaten ohne Umschweife seinen Widerstand gegen den direkten europaweiten Zugriff der Staatsanwaltschaften in Verbindung mit den Ermittlungen des spanischen Richters Balthasar Garzón gebracht. Der ist Berlusconi wegen der Geschäfte rund um den spanischen TV-Sender Telecinco auf den Fersen.

Gestern nun teilte Berlusconi mit, Italien werde den Widerstand gegen den Haftbefehl aufgeben. Voraussetzung seien einige Gesetzesänderungen, um die neuen EU-Normen mit den in Italien geltenden Grundrechten vereinbar zu machen. Daher, so Berlusconi, sei nun das italienische Parlament am Zuge. Auch der belgische Premier zeigte sich zufrieden, dass eine Lösung gefunden worden sei. Verfassungsänderungen dauern jedoch immer mehrere Jahre, sodass bis zur Gültigkeit des EU-Haftbefehls auch in Italien noch einige Zeit vergehen dürfte.