Für einen Abend Hoffnungsträger

Erster Ortsverband der Schill-Partei im Osten: Es kommen enttäuschte CDU- wie SED-Freunde – und Ronald Schill

MAGDEBURG taz ■ „Es ist ein bisschen wie zu SED-Zeiten“, entfährt es einem schlichten Schill-Anhänger in Magdeburg. Gerade wird hier der erste Ortsverband der rechtspopulistischen Partei außerhalb Hamburgs gegründet. Längst war intern ausgekungelt, dass der Student und Bauunternehmer Gordon R. Kleinau erster Vorsitzender in der Landeshauptstadt wird. Als ein anscheinend Ahnungsloser bei der blassen Vorstellung Kleinaus Näheres wissen will, kommen Rufe von den bislang 68 örtlichen Mitgliedern der „Rechtsstaatlichen Offensive“: „Das ist kein Verhör!“ und „Das ist nicht üblich!“

Eine ehemalige CDU-Sympathisantin befürchtet, der Schill-Ableger im Osten könne ähnlich schnell wieder auseinanderfallen wie andere versuchte Parteigründungen. Bei der Besetzung der üblichen Posten des Ortsverbands fällt auf, wie viele ehemalige CDU-Mitglieder ins Schill-Lager gewechselt sind. Auch frühere SED-Genossen, die nach 1990 parteilos blieben, sind unter ihnen.

Viele Neumitglieder haben keine Ahnung vom Programm oder den elf Grundsätzen der Schill-Partei, obgleich sie am Eingang des Tagungsortes ausliegen. Die Teilnehmer sind einfach frustriert von der „abgewirtschafteten SPD-PDS-Regierung“ oder, wie Gordon Kleinau, von den „verkrusteten Strukturen“ ihrer Expartei – was natürlich auch Karrierestau meinen kann. Das Wichtigste ist ihnen: Es ändert sich etwas. Was und wie, wissen sie konkret auch nicht. Ihr Namensgeber aus Hamburg, der dortige Innensenator Ronald Barnabas Schill, sagt an diesem Abend: „Wir werden nicht unbedingt gewählt, weil wir so gut sind, sondern weil die anderen so schlecht sind.“

Schill und sein Adlatus Ulrich Marseille werden zwar nicht gerade mit sechs Minuten Beifall empfangen, wie jemand spitz unter Anspielung auf den jüngsten CDU-Bundesparteitag bemerkt. Aber sie gelten hier als Hoffnungsträger. Schill setzt in seiner Rede voll auf die Wechselstimmung, will zur Landtagswahl im kommenden April nach wie vor 30 Prozent der Stimmen erreichen und an der Regierung beteiligt werden. Seine Agenda beschränkt sich an diesem Montagabend auf zwei Punkte: Kriminalitätsbekämpfung und wirtschaftliche Gesundung. Bei ersterem dürfte er schnell zu widerlegen sein, denn die Zahl der Straftaten sinkt in Sachsen-Anhalt seit fünf Jahren. Die höchste Arbeitslosigkeit in Deutschland und die Wirtschaftskrise aber bewegen viele. Schill suggeriert, Investoren würden in Scharen strömen, wenn seine Partei erst an der Macht beteiligt wäre. Als Garant gilt ihm dabei die „wirtschaftliche Lichtgestalt“ Marseille. Der Klinik- und Seniorenheimbetreiber wird erst gegenüber Journalisten gesprächiger. Die 100 Millionen Mark angeblich zustehender Fördermittel, auf die er Sachsen-Anhalt verklagt hat, kämen schließlich seinen Heimbewohnern als Kostensenkung zugute. Ob er auch als Spitzenkandidat zur Landtagswahl zur Verfügung stehen werde, lässt er bis zum Parteitag im Januar offen.

Parteichef Schill bekräftigt, er werde auf eine bundesweite Ausdehnung verzichten, sollte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber Kanzlerkandidat der Union werden. Er wolle im Übrigen nur dort antreten, wo Aussicht auf breiten Erfolg bestehe. „Als eine Vier-Prozent-Partei würden wir das bürgerliche Lager nur spalten.“

MICHAEL BARTSCH