Bin Laden fassen – und dann?

Falls der Al-Qaida-Führer gefangen genommen wird, soll ein US-Militärgericht die Todesstrafe verhängen

WASHINGTON taz ■ Ussama Bin Laden gefasst – tot oder lebendig. Das bleibt eines der Hauptziele der USA in Afghanistan. Noch war es gestern nicht erreicht. Es werde eine lange und schwierige Aufgabe sein, ihn und weitere wichtige Al-Qaida-Führer zu vernichten, sagte gestern der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz. Zuvor hatte er mitgeteilt, dass ein bis drei wichtige Taliban-Figuren beim Fall Kandahars gefasst worden seien. Vom obersten Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar fehle aber weiterhin jede Spur. Die Schlinge um Bin Laden in den Bergen von Tora Bora werde jedoch angeblich immer enger.

Was geschieht, sollte Bin Laden oder Omar tatsächlich gefasst werden? Die wahrscheinlichste Lösung für sie und andere Al-Qaida-Terroristen wäre ein Militärtribunal. Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld stellte vergangene Woche klar, dass Militärtribunale eine der wichtigsten Optionen für Bin Laden und seine Mitstreiter sei. Die USA haben den Kommandeuren der Anti-Taliban-Einheiten deutlich gemacht, dass sie alle hochrangigen Taliban-Führer und Al-Qaida-Leute ausgeliefert haben wollen.

Bin Laden lebend gefangen zu nehmen und ihm den Prozess zu machen – für viele Rechtsexperten in den USA ist das eine Chance, in der arabischen Welt Glaubwürdigkeit und Sympathie zu gewinnen. Kritiker am amerikanischen Militäreinsatz in Afghanistan, die bislang nicht von seiner Schuld überzeugt sind, könnten durch einen Prozess ihre Meinung ändern. Allerdings würden bei möglicherweise weitgehend geheim verhandelten Verfahren Beweise kaum öffentlich gemacht werden. Bislang sind keine genauen Regeln bekannt, wie diese Tribunale operieren sollen. Möglich ist, dass sie auf einer Militärbasis oder einem Kriegsschiff abgehalten werden. Dort sei die Sicherheit höher als vor einem Gericht auf amerikanischem Boden.

Alberto Gonzalez, Rechtsberater im Weißen Hauses, sagte kürzlich vor der amerikanischen Rechtsanwaltsvereinigung, dass die Regierung ein internationales Gericht auch nicht völlig ausschließe, bei dem Richter und Anwälte aus anderen Ländern teilnehmen könnten. Doch selbst Gonzalez räumte dieser Idee eine geringe Chance ein, da viele Verbündete die Todesstrafe ablehnen. „Wir möchten nicht in unserem Handlungsspielraum eingeschränkt sein“, sagte er.

Spanische Behörden verweigerten bereits die Auslieferung mutmaßlicher Al-Qaida-Anhänger an die USA mit dem Verweis auf die dortige Todesstrafe. Nun haben die Briten, die das Kommando für eine UN-Friedenstruppe in Afghanistan übernehmen sollen, angekündigt, Terroristen nur auszuliefern, wenn sie nicht zum Tode verurteilt werden. Diese Zusage werden die US-Ermittler und Ankläger nicht machen.

Um diesem Dilemma aus dem Weg zu gehen, hoffen viele Amerikaner unverhohlen, Bin Laden und Mullah Omar würden bei den Kämpfen getötet. Vielleicht tut Bin Laden ihnen auch selbst den Gefallen und macht eine Ankündigung, die er im Kreis seiner Vertrauten erwähnt haben soll, wahr: als Märtyrer zu sterben. MICHAEL STRECK