wo die stilblüten blüh’n (2): verkehrsknoten
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von HOLGER WICHT

Was bisher geschah: Das Verbot, ein teuer erworbenes Tanztextil nicht „trockenschlendern“ zu dürfen, hat unseren Autor erbost auf einer Spur Goethes wandeln lassen. Florenz war dann auch nicht besser. Verstimmt suchte ich den Bahnhof auf, um nach Sizilien zu flüchten. Man hatte Fahrkartenautomaten errichtet, um die ewig langen Schlangen an den Fahrkartenschaltern aufzulösen. Nach ewig langer Zeit in der ewig langen Schlange am Fahrkartenautomaten stellte ich mich an einer anderen ewig langen Schlange an einem anderen Fahrkartenautomaten an, denn der erste funktionierte nicht, gab das allerdings erst zu, wenn man sich 20 Minuten lang durch Touch-Screen-Menüs getatscht hatte. Der zweite Automat funktionierte, aber er nahm meine Kreditkarte nicht an, und als ich ihm Geldscheine anbot, bestand er divenhaft auf Münzzahlung. Die Fahrkarte kostete 106.000 Lire, und die größte italienische Münze ist 1.000 Lire wert. Ich hatte zufällig keine 106 Münzen dieses Wertes bei mir, aber der Automat blieb hart: „Keine Bahnknoten!“ Also, wenn das hier kein Bahnknoten ist, dachte ich und stellte mich an einer der ewig langen Schlangen vor dem Fahrkartenschalter an.

Wider Erwarten in Sizilien angekommen, erhielt ich eine Kurznachricht des Mobilfunknetzanbieters Omnitel, dessen Hoheitsgebiet ich nun offenbar bereiste. Man wollte mir wohl beim Spracherwerb behilflich sein, denn der Text lautete: „Omnitel heißt willkommen“. Leider hieß mich keiner der Einheimischen so herzlich Omnitel, dass ich meine Rückreisepläne über den Haufen geworfen hätte. Mit dem Zug nach Rom, mit dem Flugzeug nach Berlin. Die Fluglinie Virgin Express hielt ein Boardmagazin vorrätig, in dem ehrbare Zeitgenossen Sehenswürdigkeiten der Städte mit Virgin-Zielflughäfen vorstellten. Für Berlin hatte man einen BBC-Journalisten gewinnen können, der aber wohl keine Lust auf die Gedächtniskirche-Fernsehturm-Nummer gehabt hatte. Stattdessen hob er die „Punk- und Hausbesetzerkrawalle hervor“, erklärte, in Berlin besonders gern schwul zu sein und die Partys im alternativen Kellerclub „Scwutz“ (eigentlich: SchwuZ) zu schätzen. Begeistert zeigte er sich davon, dass es dort auch Themennächte gebe, zum Beispiel unter dem Titel „Deutsche Schläger“. So kannte ich mein SchwuZ noch gar nicht!

Der Flughafen Berlin-Tegel hingegen war sehr wohl wiederzuerkennen. Vor einigen Jahren wurde hier umfangreich umgebaut, aber es hat nicht funktioniert. Auf Entschuldigungsschildern hatte man damals um Nachsicht für Lärm, Staub und Chaos gebeten und versprochen: „Danach wird alles schöner, freundlicher und heller.“ Alles! Wahrscheinlich hatte man ein christliches Bauunternehmen beauftragt. In Wirklichkeit wurde selbstverständlich nur der Flughafen „verschönert“. Ausländische Fluggäste haben das schon damals gewusst. Denn während man für die Deutschen das Staubinferno einigermaßen treffend mit „Umbauarbeiten“ bezeichnete, hieß es auf Englisch: „We’re doing a little redecoration for you.“ Very British, isn’t it?