Bomben überm Boulevard

Unterwegs im Land der Peinlichen: Berben, George, Wagner und andere Qualen

Die matschigen Existenzen müssen nur den Mund auftun, um Blödsinn abzusondern

In der Top-Liga der peinlichen Zehntausend findet ständig ein gnadenloses Rennen und Grätschen statt. Wenigstens fließt kein Blut, Verletzungen gibt es nur im mentalen Bereich, die aber sind nicht Folge, sondern Voraussetzung, um im Streben nach einer matschigen Existenz im Boulevard nach vorne zu kommen. Manche tun sich dabei ganz leicht. Sie müssen nur den Mund auftun, um Blödsinn erster Güte abzusondern. In dieser Hinsicht hat in letzter Zeit Iris Berben wieder Punkte gemacht, und zwar als Ikone des Antifaschismus. Nur „ein Leben ohne Rassismus“, erklärte sie im Berliner Sender Radio Eins zur Neonazidemo gegen die Wehrmachtsausstellung, sei „lebenswert“, und knüpfte dabei an eine alte Idee eines alten deutschen Führers an. Anschließend rief sie zur Demo gegen das lebensunwerte Leben auf und bedauerte, nicht dabei sein zu können und nicht zu wissen, wann und wo die Veranstaltung stattfinde. Vermutlich drückte ihr die Kosmetikerin gerade die lebensunwerten Pickel aus.

Aber nicht nur gegen die Nazis, auch gegen die Terroristen ballt Iris Berben die Fäuste: „Diese Menschen sind nicht dialogfähig – und deswegen kann es nur noch eine Reaktion geben. Mit Bomben zu antworten.“ So graniten der Satz dasteht, so evoziert er doch mehrere Fragen. Ist es schon so schlimm um Frau Berben bestellt, dass sie mit Bombardierung drohen muss, weil niemand mit ihr reden will? Und sind Menschen im Berben’schen Sinne eigentlich noch „dialogfähig“, die verlangen, sprich mit mir oder ich mache dich platt? Müsste sich Iris Berben dann nicht selber eine Bombe auf den Kopf werfen?

Das wäre eine prima Idee, wenn sich zufällig Götz George in der Nähe befände, der auf irgendeiner Filmpremiere das Bekenntnis ablegte, er sei Berlin immer treu geblieben und nie desertiert. Dies als Leistung zu verkaufen, weist jedoch eher darauf hin, dass Berlin das Letzte ist, wozu Leute wie George, aber auch Franz Josef Wagner fleißig ihr Scherflein beitragen.

Der hat sich aus seiner Existenz als schmieriger alter Mann einen Job als Kolumnator bei Bild gebastelt. Dort steckt er seine Nase gern in die Intimsphäre von Prominenten, die es allerdings auch nichts anders verdient haben. Jetzt schrieb er einen Brief an „Frau Blubb“, weil Verona Feldbusch zwei Millionen Mark für ein SOS-Kinderdorf in Bolivien gespendet hat. Und weil eine gute Tat keine ist, wenn man nicht über sie spricht, sind die zwei Millionen eine gute PR-Investition. Gleichzeitig empfiehlt sich Wagner im vorauseilenden Gehorsam schon mal als „dialogfähigen“ Ansprechpartner, damit Frau Berben keine Bombe auf ihn schmeißt. Es ist aber nicht die gute Tat von Frau Blubb, die Wagner interessiert. Sein Riecher sagt ihm, wo zwei Millionen verpulvert werden, da muss noch mehr zu holen sein. Also baggert er die Spinatfrau an: „Ich würde gerne mit Ihnen tanzen, Verona“, in der Hoffnung, anschließend könnte sich noch etwas anderes ergeben.

Das Gequakel der Peinsamen hört aber auch nicht auf, wenn man aus den Tiefen des Boulevards wieder emporsteigt und zur seriösen FAZ greift, in der der Schriftsteller Günter Kunert sich darüber echauffiert, „daß die PDS gegen ‚den Krieg’, ergo für Straffreiheit für Massenmörder votiert hat. Solche Appeasementpolitik hat schon mal fünfzig Millionen Menschen das Leben gekostet.“ Die arme PDS. Da ist sie ein bisschen gegen den Krieg, und schon ist sie ratzfatz für fünfzig Millionen Tote mitverantwortlich. Aber lassen sich solche Äußerungen noch als „dialogfähig“ bezeichnen? Oder „lebenswert“? Günter Kunert jedenfalls wünscht man die Berben an den Hals: Heilige Iris, lass Bomben regnen! KLAUS BITTERMANN