Der Stempel des längst Entrückten

Das nahezu familiäre Pokaltreffen zwischen dem VfL Bochum und Bayer Leverkusen endet mit einem knappen 2:3

BOCHUM taz ■ Im Nebel des Ruhrstadions reihte sich am Dienstag Abend Déjà-vu an Déjà-vu. Klaus Toppmöller stand im Mittelkreis, herzte Spieler und winkte in die Fankurve. Nur seine Mannschaft, sonst Mittelpunkt des Rituals, war verschwunden. Die Bayer-Spieler taten gut daran, ihrem Trainer aus den Augen zu gehen. Trotz des knappen 3:2-Sieges in der zweiten Runde des DFB-Pokals beim VfL Bochum war Toppmöller tief enttäuscht von der Leistung seines Teams, in dem er Namenlosen eine Chance gegeben hatte. „Ich glaube, heute hat jeder gesehen, warum ich nicht rotieren lasse“, sagte er so grimmig, das man Marko Babic oder Jurica Vranjes raten möchte, sich neue Vereine zu suchen. Sollten sie beim VfL Bochum unterkommen, hätte sie Toppi bestimmt wieder lieb, denn: „Bochum ist ein Teil meines Lebens“, verriet der Fußballlehrer.

„Ein neuer Trainer ist wie ein neues Leben“, sagte Delron Buckley. Nach der Ära Toppmöller begeht der VfL-Stürmer schon seine sechste Wiedergeburt. Zur Nachfolge des Erfolgscoachs, mit dem der VfL vor fünf Jahren Bundesligafünfter wurde, gaben sich die Trainer die Klinke in die Hand: In zwei Jahren versuchten sich Ernst Middendorp, Bernard Dietz, Ralf Zumdick, Rolf Schafstall und wiederum Dietz, seit einer Woche ist nun Peter Neururer im Amt. Und wenn das Pokalspiel als Maßstab dienen kann, darf sich der VfL Hoffnung auf besseren Fußball machen – und den Wiederaufstieg. Was kein Wunder ist, denn Neururers Aufstellung trug den Stempel des Entrückten: sieben Spieler spielten schon unter Toppmöller.

„Ärgerlich, das wir unsere herausgespielten Chancen auf diesem Geläuf nicht nutzen konnten“, fand Neururer. Der Nebel war in den Boden gesickert und die Spuren, die das Fußballjahr in den Rasen geschlagen hat, waren mit Sand begradigt worden. Es folgte Kombinationsfußball mit Stockfehlern. Auch Buckley sah sich als Opfer der Platzverhältnisse. Aus zwei Metern ans Lattenkreuz, ein Drehschuss vorbei – und was Stürmern den Torschuss erschwerte, machte Abwehrspieler lächerlich.

Wenn er es gewusst hätte, vielleicht hätte auch Thomas Stickroth auf die überraschende Wiederbelebung verzichtet. „Der Übersteiger wurde mir in die Wiege gelegt“, sagte der 36-Jährige, der zuletzt als Vorleser von Fußballliteratur aufgetreten war. Einer seiner eleganten Klärungsversuche endete kläglich: Der Ball versprang ins Toraus, die Ecke nutzte Dimitar Berbatow, der einzige überzeugende Namenlose bei Bayer, zur Führung (26.). Trotz des Missgeschicks war es für Stickroth ein „schönes Gefühl“, wieder mal Fußball zu spielen. „Toppmöller wollte gewinnen und hat in der zweiten Halbzeit Stars eingewechselt“, stellte er zudem fest. Zunächst Bastürk, der nachher aus Gewohnheit in der Bochumer Kabine duschte, später auch noch Zé Roberto und Oliver Neuville.

Davor schon hatte Bochums Freier zum 1:1 (28.) an Butt vorbei ins Tor geschlenzt, in der zweiten Hälfte schwappte das Spiel dann durch die trübe Suppe. Die Stürmer blieben ausgepumpt vorne, das Mittelfeld war öd und leer. Colding traf zur Führung (75.) für die Bochumer, Berbatow wiederum erzielte den Ausgleich (77.) – und mit dem Schlusspfiff auch noch den Siegtreffer. Zuvor hatte Bastürk die Gelegenheit zur Entscheidung gehabt, aber auch Dino Toppmöller in seinem ersten Pflichtspiel gegen den Vater.

Über die Niederlage in letzter Minute wollte sich in Bochum dennoch niemand ärgern, vielleicht auch deshalb, weil der Gegner vorher feststand. Eine Woche vor Ende der Winterpause muss Bayer Leverkusen ins zugige Niedersachsenstadion von Hannover 96 reisen, die Vorbereitung auf die Rückrunde verkürzt sich für Bayer Leverkusen somit um eine wertvolle Woche. Bayer-Manager Rainer Calmund sah sich genötigt, das Weiterkommen schönzureden: „Ist ganz gut so, nach einem hektischen Pokalfight in Hannover sind die Jungs im Kopp gleich voll da für die Liga.“

Außerdem spielten im Achtelfinale: VfB Stuttgart - TSV 1860 München 2:4 i.E.; Union Berlin - RW Oberhausen 1:2; Mainz 05 - 1. FC Kaiserslautern 2:3.

CHRISTOPH SCHURIAN