FÜR DIE PRESSE IST HARALD JUHNKE BEREITS GESTORBEN
: Grab am Boulevard

Der Alkoholiker Harald Juhnke war immer ein transparenter Trinker. Jedes Zechgelage mit Udo Lindenberg oder Bubi Scholz stand am nächsten Tag brühwarm in den Berliner Märchenzeitungen („Harald tiefblau!“), die Wodkas und Whiskeys sauber abgezählt. Jetzt haben sie ihn beerdigt. „Danke Harald – für die vielen schönen Stunden“, säuselte ein Boulevardblatt.

Die Berichte über Juhnkes Einweisung in ein Pflegeheim für Verwirrte verbergen nur mühsam ihren Nachrufcharakter. Noch einmal werden Charme, Witz und Berliner Schnauze des Spree-Sinatras beschworen. Noch einmal werden die geplatzten Auftritte und schönsten Räusche des Entertainers gelistet: Weißt du noch, wie er damals nach 15 Glas den Teddybären mit dem Handy verwechselte und zum Wählen immer auf die Glupschaugen drückte? „Blick zurück im Korn“, kalauert die Welt. Andere bedauern pointensicher, dass jetzt die Schnabeltasse das Whiskeyglas ersetzen muss. So wie er es beschrieb, ist der Klatschreporter selbst: „im Dunkel der Demenz“.

Juhnke hat die Zeitungsleute gern empfangen. Er hat mit ihnen gesoffen und sich bereitwillig mit der Flasche in der Hand ins Schaufenster gestellt. Einer von drei Millionen Alkoholkranken Deutschlands zeigte allen, wie schlimm es war. Die vielen großen und kleinen Säufer haben ihm zugesehen – wahrscheinlich nicht nur schenkelklopfend. Es war ein großer Absturz in Zeitlupe. Juhnkes Dauersuff hat das Showbiz aus dem Glitzerfummel herausgeholt, zurück an den ordinären Kneipentisch. Dort roch es nach Angst und Erbrochenem.

Wer nicht mehr auf der Bühne steht, wer keine prominenten Vollräusche mehr produziert, ist tot. Aber Juhnke ist auch als geistig Umnachteter eine öffentliche Person geblieben. Seine Frau und sein Management haben uns ein vorletztes Mal mit privaten Details versorgt: Nach dem Produktionsleiter soll er rufen, immer wieder, und Bruchstücke von Molière rezitieren. Harald Juhnke ist kein großer Schauspieler. Aber seine Alkoholkrankheit und ihre öffentliche Inszenierung sind ein großes beklemmendes Stück. MANFRED KRIENER