Kultur-Kaninchen: Die Bremerinnen im arte-test

■ Bremen ist der arte-Brückenkopf zur bundesweiten Landgewinnung: Ab heute ist sein Nachmittagsprogramm über Kabel zu empfangen – „leicht aber anspruchsvoll“, magazin-orientiert und für ein eher weibliches Publikum

Heute hält die Kultur ihren medialen Einzug in 326.000 hiesige Haushalte. Das verkabelte Bremen und sein niedersächsisches Umland können ab 14 Uhr das arte-Nachmittagsprogramm empfangen – bisher war es der überschaubaren Zahl der BesitzerInnen von Satellitenschüssel-Decoder-Kombinationen vorbehalten.

Dabei sollen die Nachmittagsstunden doch Quote bringen. Seit einem Jahr nutzt arte die Zeit bis 19 Uhr, um sein Intellektuellen-Image aufzumöbeln: Mit Magazinen wie „Lola“ (für Frauen), dem „Familienalbum“ oder „Zu Tisch in...“. Dem bisher typischen arte-Gucker (intellektuell und männlich) soll weibliches Publikum an die Seite gestellt werden, sagt Programmmacherin Kornelia Theune – und das hat ja praktischerweise nachmittags Zeit.

Quotensteigerung tut not. In Deutschland hat das arte-Abendprogramm derzeit einen Marktanteil von 0,9 Prozent, in Frankreich immerhin drei – dort ist der Sender auch über Antenne zu empfangen. Die französische Zielmarke liegt allerdings bei fünf Prozent.

Trotzdem: Die arte-Nachmittage sollen sich nicht in Richtung „Lifestyle“ entwickeln, verspricht Theune. Die „Zu Tisch“-Reihe etwa werde keinesfalls einem Kochstudio-Verschnitt den Weg ebnen, die arte Handschrift – poetisch, emotional, zeitlassend – immer beibehalten. In diesem Sinn ebenfalls „leicht, aber anspruchsvoll“: das Gesundheitsmagazin „Hippokrates“, „Die Dinge des Lebens“, „Biographien“ und das Format „Voilà Europa“. Kornelia Theune: „Für uns ist das ein Experimetierfeld.“

Jetzt also mit den Bremer Versuchskaninchen. Die erweiterte Empfangbarkeit sein „ein Fernseh-Meilenstein“, schwärmt arte-Sprecherin Claude-Anne Savin – „endlich sind wir ein normaler Sender.“ In der Tat: Zehn Jahre nach seiner Gründung macht arte einen großen Schritt in Richtung empfangbares Vollprogramm.

Dass der arte-Meilenstein ausgerechnet hier aufgepflanzt wird, liegt an der flinken Bremer Landesmedienanstalt: Sie hat bundesweit als erste auf dasarte-Einspeisungsbegehren reagiert. Hamburg und Niedersachsen sollen folgen, Ende kommenden Jahres soll die ganze Republik von der nachmittäglichen Kulturwelle überflutet werden, die jetzt in Bremen losplätschert.

Ab heute 14 Uhr also gibts arte auf dem Bremer Sonderkanal 20, wo bislang CNN zu empfangen war. Die Amerikaner wandern auf die 22 zu TV Polonia, während sich arte in besonderer Nachbarschaft tummelt: Bis 14 Uhr läuft auf S 22 nämlich der allseits beliebte Einkaufssender „Homeshopping Europe“. Statt der bisherigen Kombination mit dem Erfurter „Kinderkanal“ jetzt also ein massenorientiertes Vorprogramm. Möglicherweise bleibt ja die eine oder andere Schmuckeinkäuferin anschließend bei arte hängen – dann hätten die hiesigen Medienwärter arte einen weiteren Gefallen getan.

1993 war Bremen schon mal Vorreiter in Sachen arte. Für kurze Zeit war der Sender an der Weser für das gemeine Volk der Nur-Antennen-Besitzer empfangbar, doch dann drehte das ZDF den Geldhahn zu – das jetzige Experiment wird hoffentlich erfolgreicher sein.

Henning Bleyl