Task Force auf dem Bolzplatz

Seit zehn Jahren setzt „Kick“, ein Projekt zur Prävention von Jugendkriminalität, auf das freiwillige Interesse der Zielgruppe – mit Erfolg. Anfangs trafen sich die Jugendlichen nur zum Kicken, heute bieten die Treffs viele Aktivitäten

„Ich bin einer aus der Praxis“, sagt Hauptkommissar a. D. Achim Lazai, Vater des jetzt zehnjährigen Projektes „Kick“. 1988 stattete er der Berliner Sportjugend einen ersten Besuch ab. Er berichtete von den Vernehmungen mit Jugendlichen, die wegen Diebstahls, Schwarzfahrens, Körperverletzung oder Drogenmissbrauchs auf der Wache gelandet waren. „Im Grunde waren es Langeweile, Frust, Perspektivlosigkeit und Isolation, die die Minderjährigen auf eine schiefe Bahn führten“, erzählt der nach wie vor agile Pensionist. Selbst sportbegeistert, kam er auf die Idee, Sport als aktive Präventionspolitik gegen Jugendkriminalität einzusetzen. 1991 schließlich begann „Kick“ mit einem ersten Standort in Kreuzberg und zwei ABM-Stellen.

Heute sind es schon acht Treffs, u. a. in Neukölln, Marzahn, Prenzlauer Berg und Wedding, und mit den Lazaischen Praxiserfahrungen hat „Kick“ auch seine Konzepte weiter entwickelt. Das neueste heißt „Task Force“ und wird 2002 starten. Ein mobiles Einsatzkommando soll dann für Hilferufe bereitstehen, wenn in Jugendeinrichtungen oder auf Schulhöfen Konfliktsituationen zu eskalieren beginnen. Außerdem werden diese so genannten Mediatoren vor Ort Basis-Trainings durchführen und den Umgang mit heiklen Situationen oder Besuch von rechts schulen.

Claudia Zinke, Vorsitzende der Sportjugend Berlin, bezeichnet Kick als „Erfolgsmodell“. Hier arbeiteten Polizei und Jugendsozialarbeiter in einmaliger Weise zusammen. Die jugendlichen Straftäter werden bei ihrer Vernehmung auf das Projekt aufmerksam gemacht. Fast die Hälfte von ihnen erschienen später auch freiwillig, so Zinke. 130 Jugendliche vermittelte die Polizei an Kick. Dort finden die Jugendlichen Freizeitangebote von Kicken bis Kochen – und nicht nur die, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Die Treffs bieten Freizeitangebote für alle Jugendlichen aus den Kiezen, 500 nehmen jährlich daran teil.

Polizeipräsident Gerd Neubeck, Polizeipräsident lobt an „Kick“ den „genialen Zug“, dass hier Jugendliche verschiedenster, auch ethnischer Herkunft unmittelbar über Ihre Bedürfnisse, Sport und Freizeitgestaltung, in das soziale Lernfeld Gemeinschaft gebracht werden. „Fußball ist auch bei Kick nach wie vor die Nummer eins unter den Sportarten“, so Heiner Brandi vom Landessportbund Berlin. Dazu gekommen seien in den letzten Jahren Inline-Skating und Streetball. Betreut werden die Jugendlichen bei Kick aber auch in Lebensfragen. Geholfen wird, wenn es um Schule, Elternhaus oder Ausbildungsplatz geht. Kick vermittelt über seine Kontakte auch Praktikums- und Lehrstellen.

95 Prozent der bei Kick betreuten Jugendlichen seien, so Brandi, nicht mehr rückfällig geworden. Da nun in der Politik so viel über das Sparen gesprochen wird, rechnet er: ein Platz in der Jugendstrafanstalt koste den Steuerzahler 120.000 Mark im Jahr. Kick wird jährlich mit einer Million gefördert. Es lohne sich also schon, wenn nur zehn Jugendliche pro Jahr aus der Kriminalitätsspirale herausgeholt würden. Um die Zukunft des Projekts auch hochrangig-politisch zu unterstützen, hat sich jetzt eine Lenkungsgruppe gebildet. Ihr gehören Claudia Zinke (Sportjugend), die Staatssekretäre der Senatsverwaltungen für Jugend und Inneres, Thomas Härtel und Lutz Diwell, sowie Polizeipräsident Gert Neubeck an.

Kommissar a. D. Lazai ist unterdessen weiter unablässig aktiv. Derzeit reist er durch Brandenburg, um dort weitere Standorte des Berliner Präventionsprojektes gegen Jugendkriminalität einzurichten.

INGEBORG WOITSCH