HAMBURG: DEALER OHNE ANSPRUCH AUF MENSCHLICHE BEHANDLUNG
: Handlanger in Weiß

Ärzte als Erfüllungsgehilfen der Politiker – das hat in Hamburg Tradition. Ein extra eingerichteter ärztlicher Dienst der Ausländerbehörde überprüft schon länger Atteste niedergelassener Kollegen, wenn diese fordern, Abschiebungen aus gesundheitlichen Gründen auszusetzten. Im Sommer haben Hamburger Mediziner begonnen, potenziellen Dealern Magensonden einzuführen um zu erfahren, ob die Beschuldigten Rauschgift in sich tragen. Dass bei dieser unwürdigen und gefährlichen Art der Beweissicherung Menschen sterben können, war von Anfang an klar. Nun ist es passiert.

Das Legen von Magensonden ist auch dann nicht risikolos, wenn der Patient informiert, untersucht und kooperativ ist. Trotzdem zwingen Mediziner die Sonde auch bei heftiger Gegenwehr in die Körper von Menschen. Das geht zuweilen nicht anders, wenn etwa ein verwirrter Patient behandelt oder ein gescheiterter Selbstmörder gerettet werden soll. Bei der gewaltsamen Brechmittel-Abgabe an Drogendealer aber geht es nicht um Hilfe: Für den Dealer nicht und auch nicht für die Gesellschaft. Das Erbrechen einiger Kügelchen Rauschgift ändert nichts daran, dass Menschen Drogen nehmen und andere daran verdienen. Trotzdem hatte Rot-Grün die Methode noch vor den Wahlen eingeführt. Die Koalition aus CDU, FDP und der „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ des Richters Ronald Schill hat nur die Frequenz erhöht.

Trotz des ersten Todesopfers lehnt der Hamburger Senat es kategorisch ab, die lebensgefährliche Methode auszusetzen. Für diese starre Haltung erhofft sich die Koalition Rückenwind von ihren Wählern, denen sie eine Stadt ohne Junkies versprochen hatte. So ist denn auch viel die Rede davon, dass der tote Dealer doch eher Täter als Opfer war. Dass ihn doch niemand gezwungen hat, die Kügelchen zu verschlucken. Und schon gar nicht, sich gegen den Brechmitteleinsatz zu wehren. Das impliziert: Drogendealer haben keinen Anspruch, als Menschen behandelt zu werden. Seltsam wenig rechtsstaatlich von einer Organisation, die sich „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ nennt.

SANDRA WILSDORF