Muslime in Sorge

Kenia bietet sich als Basis für US-Aktionen in Somalia an. Ostafrikanische Muslime geraten ins Visier des FBI

NAIROBI taz ■ Nach dem Mittagsgebet plaudern viele Gläubige noch in der Umgebung der zentralen Moschee von Nairobi. Seit Monaten sprechen sie über alles, was mit Ussama Bin Laden zusammenhängt. Mittlerweile steht bei ihnen aber nicht mehr Afghanistan im Vordergrund.

„Es werden immer mehr Gerüchte über einen amerikanischen Angriff auf Somalia verbreitet“, sagt Abdullah Ochieng. „Aber Beweise über Terroristen in dem Land kriegt man nicht.“. Der junge Büroangestellte in seinem langen weißen Gewand macht die USA für die mittlerweile zehnjährige Krise Somalias verantwortlich. „Jetzt, wo die Somalis versuchen, ihr Land mit einer Übergangsregierung wieder aufzubauen, brauchen sie Ruhe.“

In Ostafrika ist ein großer Teil der Bevölkerung islamisch. Beinahe alle Somalis sind Muslime, die Hälfte der Tansanier und ein Viertel der Kenianer. Arabische Händler brachten den Islam in die Region, Jahrhunderte bevor die ersten Europäer Afrika kolonisierten.

Die Informationen der USA über angebliche Terroristenlager der islamistischen al-Ittihad in Somalia stammen aus Äthiopien – aber die äthiopische Armee hat schon 1996 und 1997 die Lager der Islamisten in Somalia zerstört. Äthiopiens Regierung scheint ein destabilisiertes Nachbarland zu bevorzugen. Sie unterstützt jene somalischen Warlords, die mit der somalischen Übergangsregierung nicht verhandeln wollen. Versuche Kenias, alle Parteien um einen Tisch zu bekommen, werden durch Äthiopien untergraben.

„Ich bezweifle, dass es für die USA einen Grund gibt, in Somalia einzugreifen“, meint der kenianische Politologe Cyrus Mutiso. „Al-Ittihad ist schon lange zerfallen. Wenn es doch zu einem Militäreinsatz kommt, lässt Washington wahrscheinlich die Äthiopier die Drecksarbeit machen. Dafür bekommt Addis Abeba dann Militär- und Finanzhilfe“. Auch Kenia hofft auf Unterstützung. „Das Land könnte internationalen Truppen als Basis dienen“, sagt Mutiso. „Eine Lockerung der Bedingungen für finanzielle Hilfe wäre dann die mögliche internationale Gegenleistung. Die Regierungspartei könnte sich das in den kommenden Wahlen zunutze machen“. Wegen Korruption bekommt Kenia seit Jahren kein Geld mehr vom Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die Annäherung der Regierung an die USA führt zu Spannungen. Dutzende von Menschen wurden in Kenia und Tansania unter dem Verdacht verhaftet, mit al-Qaida zu tun zu haben. FBI-Mitarbeiter verhören die Verdächtigen. Aber die meisten kommen danach wieder frei. Im Norden Kenias zündeten vor wenigen Tagen junge Muslime Gebäude an, nachdem ein lokaler Imam verhaftet wurde. Als er zwei Tagen später wieder frei war, kehrte die Ruhe zurück.

Die Spannungen haben auch negative ökonomische Auswirkungen. Verschiedene Firmen in Tansania schlossen, nachdem die Zentralbank ihre Konten sperrte – wegen angeblicher Beziehungen zu al-Qaida. „Es geht meistens um Öl- und Transportgeschäfte“, sagt ein Finanzexperte in Tansania. „Manche Eigentümer waren vor 15 Jahren noch Schuhputzer oder Tagelöhner. Jetzt sind sie Direktoren. Aber Beweise, dass sie zu al-Qaida gehören, haben wir nicht gesehen.“

Auch dass die deutsche Marine in Dschibuti stationiert werden soll und entlang der somalischen Küste patrouilliert, verursacht in Kenia Unruhe. Die Touristeninsel Lamu liegt nur 100 Kilometer von Somalia entfernt. Jetzt scheuen Urlauber diesesZiel.

Gerüchte verschlimmern die Lage nur. „Nach meiner Meinung ist alles nur heiße Luft“, sagt John Mbaria, Journalist des Wochenblattes East African. „Die amerikanische Propagandamaschine macht Überstunden. Wir schreiben, was uns die US auftischen“.

ILONA EVELEENS