Ohne Transport hilflos

Lebensmittel für Afghanistan werden Hamburg wohl nicht verlassen  ■ Von Alexandra Frank

Für Siba Pujan tickt die Uhr. Die gebürtige Iranerin hat 40 Tonnen Lebensmittel und säckeweise Bekleidung für Afghanistan gesammelt, doch das Lager in der Speicherstadt, in dem die Sachen momentan noch untergebracht sind, soll am Montag geräumt werden. Pujan hat immer noch keine Lösung gefunden, wie die gespendeten Lebensmittel ihre Empfänger erreichen sollen.

„Seit Mitte September habe ich sämtliche Hilfsorganisationen und staatlichen Stellen, die in Frage kommen, gefragt, ob sie mir helfen können, die Sachen nach Afghanistan oder in ein Nachbarland zu transportieren“, erklärt Pujan. He-rausgekommen sei dabei bislang jedoch nichts. Bürokratie, unterschiedliche Vorstellungen oder schlichte Gleichgültigkeit machten es bislang unmöglich, eine Lösung zu finden. Bis Montag können die Hilfsgüter noch in der Speicherstadt lagern, bevor das Lagerhaus geräumt werden muss.

Bei den von einem Kaufmann gestifteten Lebensmitteln, die in englisch und persisch etikettiert sind, handelt es sich um Nudeln, Tomatensoße, getrocknete Kräuter, Essig, Öl, Oliven und eingelegtes Mischgemüse im Glas. „Sicherlich sind das keine Speisen, die auf dem täglichen Ernährungsplan der Af-ghanen stehen“, argumentiert Pujan, „aber die Nahrungsmittel sind den Leuten sehr wohl bekannt und als Alternative zu verschimmeltem Brot ja wohl vorzuziehen.“

Seitens der größeren Hilfsorganisationen werden jedoch keine Sach- sondern lediglich Geldspenden entgegengenommen. Das habe gesundheitliche, ethische und ökonomische Gründe. Bernt Edelhoff, Sprecher vom Hamburger Landesverband des DRK (Deutsches Rotes Kreuz), berichtet, dass seine Organisation nur vorgefertigte Lebensmittelpakete in notleidende Länder transportiere, deren Inhalt genau auf den Bedarf der Menschen abgestimmt sei. „Wir versuchen so viel wie möglich vor Ort oder in anliegenden Gebieten zu kaufen, weil wir die ansässige Wirtschaft unterstützen und nicht zerstören wollen“, erklärt er. „Mit dem Geld, was der Transport von Deutschland aus kosten würde, kann man vor Ort viel effektiver helfen“, lautet ein weiteres Argument. Pujan setzt dem entgegen, dass vor Ort gar nicht die Kapazitäten vorhanden wären, so viele Hungernde zu ernähren. Da sie selbst aus einem Nachbarland Afghanistans stamme, kenne sie die Gegend gut. „In Tadschikistan herrscht seit Jahren Dürre, wo soll da noch genug Nahrung sein?“

Eine Anfrage Pujans beim Referat Entwicklungspolitik der Senatskanzlei, den Transport zu übernehmen, ist mit der Begründung, man käme nicht ins Land hinein, zurückgewiesen worden. „Nicht die Verfügbarkeit, sondern der Zugang und mangelnde Verteilungsmöglichkeiten sind das Problem“, erklärt Peter Höing, zum Zeitpunkt der Anfrage Referatsleiter der Senatskanzlei für Entwicklungspolitik, der sich auf eine Entscheidung des Auswärtigen Amtes in Berlin beruft. Auch diese Begründung lässt Pujan nicht gelten: „Auch die Menschen in den Flüchtlingslagern rund um Afghanistan herum leiden an Hunger und die kann man sehr wohl erreichen.“

Vor einem Monat hätte sich beinahe eine Lösung abgezeichnet. Abdul Rahman Nadjafi vom Kufa e.V. (Komitee zur Unterstützung der Flüchtlinge in Afghanistan und zum Wiederaufbau des zerstörten Landes), hatte durch ein Benefizkonzert ausreichend Geld gesammelt, um den LKW-Transport der Nahrungsmittel zu finanzieren. 20.000 bis 30.000 Mark kostet ein solches Vorhaben. Doch scheiterte das Unternehmen nun an einem Interessenskonflikt zwischen dem Kufa-Vorsitzenden und der engagierten Iranerin. „Frau Pujan insistierte, persönlich die Waren nach Afghanistan zu begleiten, aber das konnte von den Spendengeldern nicht zusätzlich finanziert werden“, erklärt Nadjafi. Pujan hingegen argumentiert, dass es Bedingung ihrer Spender war, dass sie persönlich den Transport begleite. „Man hört so oft, dass die gespendeten Lebensmittel und Anziehsachen niemals bei den eigentlichen Empfänger ankommen, sondern profitbringend auf dem Schwarzmarkt verkauft werden“, erläutert sie ihre Bedenken. Damit endeten die Verhandlungen der beiden Parteien. Noch laufen Pujans Bemühungen, doch Fazit bleibt, dass 40 Tonnen Lebensmittel zwangsgeräumt werden, wenn Pujan nicht bis Montag einen Abnehmer findet.