Hausgemachte Horrormusik

■ Der Bremer Musiker Jörn Schipper führte „Mountains Of Madness“ nach Texten von H.P.Lovecraft vor – vor 1 Mann

„Es war ein gottloses Geräusch, einer jener tiefen, tückischen Ausbrüche der Natur, die nicht sein sollen. Ihn ein dumpfes Wimmern, ein verzweifeltes Heulen, ein hoffnungsloses Jaulen vielstimmiger Qual und geschundenen, geistlosen Fleisches zu nennen, würde bedeuten, seine kennzeichnende Abscheulichkeit und seine seelenverwirrenden Obertöne zu unterschlagen.“

So schrieb der amerikanische Poe-Epigone H.P. Lovecraft (den dann wiederum Stephen King beerbte), und so müßte dann ja eigentlich auch „ein visuell-musikalisches Hörstück“ nach seinen Texten klingen. Ganz so schlimm ging es am Donnerstagabend im Waller „Westend“ zwar nicht zu, aber der Bremer Musiker und Komponist Jörn Schipper hatte sich redlich bemüht, eine möglichst gruselige Atmosphäre zu schaffen. Man kam in einen dunklen Raum, in dem nur das Negativbild eines bedrohlichen Waldes auf eine Leinwand projiziert wurde, langsam traten dann die Schemen des Musikers aus dem Dunkel, aber Licht wurde es nie. Zu hören war zuerst ein diffuses Sound- und Stimmengewirr, dann setzte eine Erzählstimme vom Tonband mit einem Text von Lovecraft ein, der mit der Zeit verfremdet, zerstückelt und vervielfacht wurde, so dass einzelne Partikel von ihm durch den Raum zu irren schienen. Das gleiche passierte mit den Teilen aus Lovecrafts „Mountains of Madness“, die Wendy Allen live auf Englisch vorlas. Schipper selber zupfte dazu live ein wenig auf dem E-Bass, und schuf so zusammen mit dem Summen der Belüftungsmaschine ein bedrohlich tiefes Grummeln. Für eine Weile konnte man den Erzählungen jeweils noch folgen, sodass der typische, hysterische Lovecraft-Tonfall erkennbar wurde, doch dann wurden die Texte transformiert, zu bedrohlichen, unangenehm tönenden Monstern, denen jeder Sinn durch endlos scheinende Echos, Überschneidungen und Verdrehungen abhanden kam. Genau aus solchen Abstiegen ins Chaos besteht die dramaturgische Methode der Texte von Lovecraft, und dessen im Grunde trashigen und immer auch ein wenig lächerlichen Stil entspricht Schippers low budget Performance kongenial. Edgar Allen Poe hätte er mit diesen spärlichen Mitteln nicht gerecht werden können, aber der Grusel von Lovecraft war im Waller Westend deutlich zu spüren.

Ein ganz anderer Horror lauerte an diesem Abend auf Schipper und Wendy Allan, denn bis auf den Rezensenten war nicht ein Zuhörer zu der Performance erschienen.

Nun war eines dieser Konzerte ein Privatauftritt für mich allein, den Rezensenten, und ich hätte dem stimmigen und gelungenen Hörstück natürlich viel mehr ZuhörerInnen gewünscht, (Lovecraft scheint seinen Kultstatus, der sich in den 80er Jahren aufbaute, inzwischen wieder verloren zu haben), aber andererseits war ich auch dankbar, denn wann spielt die Musik schon mal nur für dich alleine? . Und ein wenig Gänsehaut bekam ich auch.

Wilfried Hippen

Der Auftritt war Bestandteil von Schippers „2. Bremer Stadtbespielung“, bei der er an jedem Tag einer Woche an einem anderen Ort ein anderes Programm spielt. Die Woche begann am Sonntagmorgen im KITO mit einem weiteren musikalisch/literarischen Projekt über die Lyrik von Alan Ginsberg und endet heute Abend um 21 Uhr mit „Devices No. III – Electronic Beats & Ambient Sounds“ im Lagerhaus.