Küchenexperten in den Kochtopf geguckt

Das kulinarische Kollektiv-Outing: Feinschmecker und Gastronomieprofis privat – vier Weihnachtsmenüs von Fachleuten für sich selbst

Täglich sind sie von exklusiven oder bodenständigen Leckereien umgeben, kochen im Sterne-Restaurant, sind Feinschmecker. Doch was steht bei den Lebensmittel- und Luxusexperten Weihnachten auf dem Tisch?

Thomas Kammeier muss am 24. und 25. Dezember arbeiten. Das heißt, er steht in der Küche des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurants „Zum Hugenotten“ im Hotel Intercontinental. Aber am zweiten Feiertag trifft sich der Chefkoch mit Freunden, und dann gibt es klassischerweise Gans. „Eine durchschnittliche Gans reicht für sechs Personen“, sagt Kammeier, der bereits beim Bundespresseball für das leibliche Wohl des Kanzlers sorgte. Der Chefkoch will die Gans schon 24 Stunden vor ihren großen Auftritt in Salzwasser einlegen und anschließend mit Äpfeln, Orangeat und Majoran füllen. „Das Wichtigste ist, den Braten drei bis vier Stunden schmoren zu lassen“, erklärt der Sterne-Koch. „Nur zum Schluss heize ich den Ofen noch einmal kräftig ein, damit die Gans schön kross wird. Dazu gibt es einen guten Burgunder.“ Wenn man sich beim Bratenessen Zeit ließe, so Kammeier, bleibe auch genügend Platz im Bauch für ein Dessert. Was Kammeier in Richtung Nachtisch vorschwebt, bleibt jedoch sein Geheimnis. Nur eines verrät er noch: Nichts ist fieser, als kalte oder aufgewärmte Gans vom Vortag. Aber da muss sich Thomas Kammeier wohl keine Sorgen machen – wer seinen Braten nicht ganz verspeist, muss schön blöd sein.

Achim Becker kommt viel rum. Nicht umsonst ist er Chef der Reiseredaktion des Gourmet-Magazins Der Feinschmecker. Fragt man ihn, was Weihnachten auf seinem Tisch steht, muss Becker tief Luft holen. „Mit Sicherheit keine Gans“, sagt er. „Zu fett.“ Stattdessen gibt’s im Becker’schen Haushalt Rehrücken, der aber nicht von dem Gastro-Kritiker selbst, sondern von seiner Gattin zubereitet wird. Diese kauft das Stück Reh auf dem Wochenmarkt am Ökostand. Nicht so bewusst ernährt sich Becker junior: Der elf Jahre alte Junge steht zurzeit total auf Big Mäcs. Stress, so hofft der warenkundige Vater, werde es deswegen nicht geben – hoffentlich. Zu Rehrücken gibt’s bei Beckers Rotweinsauce, und dazu reicht Achim Becker einen guten Bordeaux. Noch ein Tipp für Weihnachts-Flüchtlinge vom Reiseleiter: Das südöstliche Salzkammergut soll sehr schön sein.

Angela Prange ist Italienerin. Und Vegetarierin. Und auch noch Chefköchin des veganen Restaurants „Natural Mente“. Wer jetzt denkt, bei Prange gäbe es am Heiligen Abend nur Körner mit Dinkel, liegt komplett falsch. Denn Angela Prange hat für ihre Lieben ein Menü fernab von Braten und Knödeln zusammengestellt, das sich sehen lassen kann. Gut, als Aperitiv wird zwar ein Cocktail aus Gemüsesäften getrunken, aber danach kann sich die Familie über eine Brühe mit Ingwer und Shiitake-Pilzen freuen. Das Hauptgericht für die dreiköpfige Familie besteht aus Ravioli mit Kastanienfüllung an Nuss-Sauce – und als Nachtisch ist ein selbst gebackener Panettone mit weißem Mandeldressing vorgesehen. Zwischendurch reicht Frau Prange einen Salat der Saison mit Balsamico und Pinienkernen. „Die Zutaten und den Wein kaufe ich im Naturkostladen und an den Bioständen auf dem Markt, das ist doch selbstverständlich“, meint Angela Prange, die ihr Restaurant über die Feiertage kurzerhand schließt.

Werner Fischer steht unter Dampf, und das schon den ganzen Advent über. Tag für Tag brät er auf dem Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz in mehreren wagenradgroßen Pfannen Champignons. Er hat große Konkurrenz, denn Pilze scheinen auf dem Weihnachtsmarkt dieses Jahr der Renner zu sein. „Weil meine Champignons so schön deftig sind“, glaubt Fischer und ergänzt mit leicht gequältem Unterton: „Das kann man bei der Kälte gut vertragen.“ Der Pilzbrater selbst hat jedoch verständlicherweise an den Feiertagen keine Lust auf die geschmorten Waldgewächse – Heiligabend bleibt bei Fischers die Küche lauwarm. „Wir essen jedes Jahr Kartoffelsalat mit Bockwürstchen – das hat schon Tradition.“ Dazu gibt es Bier für die Erwachsenen und für die Kinder Kindersekt. Für die Weihnachtsfeiertage hat sich Werner Fischer eine Aushilfe organisiert – am 23. Dezember ist für Werner Fischer Schluss mit Pilzen. Bis zur nächsten Saison.

CHRISTA STORM