Alle Macht dem Verdacht

Bundestag verabschiedet Sicherheitspaket II. Nur FDP und PDS lehnen das Gesetzesbündel als Bedrohung für den Rechtsstaat ab. Liberale erwägen Gang vors Bundesverfassungsgericht

BERLIN taz ■ Der Generalverdacht ist Gesetz geworden: Mit der Mehrheit der Stimmen von SPD, CDU und Grünen hat der Deutsche Bundestag gestern das Sicherheitspaket II verabschiedet.

Das Gesetzesbündel von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sieht unter anderem eine Stärkung der Kompetenzen von Bundeskriminalamt, Bundesgrenzschutz und Verfassungsschutz vor. Daten von Ausländern sollen zentral erhoben werden und abrufbar sein. Ausländer können ausgewiesen werden, „wenn Tatsachen belegen“, dass sie Terrorismus unterstützen. Die Aufnahme eines so genannten biometrischen Merkmals, etwa des Fingerabdrucks, in Personaldokumente soll in einem weiteren Gesetz bestimmt werden.

Insgesamt wird mit dem Paket die Sammlung und Weitergabe von personenbezogenen Daten in einem bislang nicht gekannten Ausmaß ermöglicht. Schily rechtfertigte die Maßnahmen im Bundestag gestern damit, dass die Anschläge vom 11. September eine Antwort verlangt hätten, und nannte seinen Entwurf ein „epochales Gesetzeswerk“. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, sprach von den „umfassendsten Sicherheitsgesetzen in der Geschichte der Bundesrepublik“.

Nachdem die Unionsfraktion gestern keine gravierenden Einwände mehr gegen das Schily-Gesetz anmeldete und – bei einer Enthaltung – geschlossen zustimmte, wird nun auch die Zustimmung des Bundesrats am kommenden Donnerstag erwartet. Der CDU-Innenpolitiker Erwin Marschewski sagte, im Kampf gegen den weltweiten Terrorismus sei es selbstverständlich, dass sich die Union um Gemeinsamkeiten mit der SPD bemühe. Schily dankte es ihm damit, dass er die PDS angriff: Deren Kritik habe offenbar auch damit zu tun, dass Teile der Partei vom Verfassungsschutz überwacht würden. Die PDS-Innenpolitikerin Petra Pau hatte zuvor gesagt: „Der verheißene Zugewinn an Sicherheit wird mit einem signifikanten Verlust an Freiheit bezahlt.“

Scharfe Kritik am Paket äußerte gestern auch die FDP: Der Innenexperte Max Stadler sagte, das Paket verliere durch die Eile des Gesetzesverfahrens an Legitimation. Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Opposition seien praktisch übergangen worden. Zuvor hatten verschiedene FDP-Politiker das Sicherheitspaket II als rechtspolitisch nicht haltbar bezeichnet und laut über einen Gang vors Verfassungsgericht nachgedacht. Fraktionschef Guido Westerwelle sagte, man werde prüfen, ob das Gesetz „verfassungsrechtlich korrekt zu Stande gekommen“ sei. Die Vizefraktionschefin und ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte gestern: „In hoch technisierten, demokratischen und offenen Gesellschaften kann es keine absolute Sicherheit geben, ohne dass die Bürger als potenzielle Verbrecher behandelt und polizeistaatlicher Willkür Tür und Tor geöffnet werden.“

ULRIKE WINKELMANN

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