Reinhold hat gelogen!

■ Will Gmehling las aus seinem Kinderbuch „Der Yeti in Berlin“ – leider hauptsächlich vor erwachsenen Kindern

Reinhold Messner wäre selig: Den Yeti, es gibt ihn doch! Der Gipfelstürmer hatte vor ein paar Jahren, von Talkshow zu Talkshow tingelnd, noch forsch behauptet, der Yeti sei doch nur heiße Luft, alles Schneemenschähnliche auf seinen weiten Reisen letztlich nur ein Bär gewesen. Da hat er die Rechnung wohl ohne den Bremer Kinderbuchautor Will Gmehling gemacht, der jetzt zum Gegenschlag ausgeholt hat.

Zwar fanden sich gestern im Paula Modersohn Becker-Museum gerade mal drei Kinder und neun Erwachsene ein, doch ließ sich Will Gmehling nicht beirren, dem bergsteigenden Rauschebart mit Fakten über die Existenz des Schneemenschen entgegenzutreten: „Etwas größer als ein Menschenmann und kleiner als ein Bär. Am ganzen Körper hat er Haare, dazu ein freundliches Gesicht.“

Um dem Yeti auf die pelzige Schliche zu kommen, braucht man nicht einmal die beschwerliche Reise zum Himalaya auf sich zu nehmen, teuer Geld für Kraxel-utensilien auszugeben oder tagelang zähneklappernd auf der Lauer liegen. Es reicht ein Fahrschein der Deutschen Bahn: Der sagenumwobene Schneemensch liebt es nämlich metropolisch und verlustiert sich um die Weihnachtszeit in Berlin.

Eigentlich war er ja wunschlos glücklich in seiner Luxushöhle im Himalaya. Konnte jeden Morgen lecker Yak-Braten frühstücken und dazu klares Schneeschmelzwasser trinken. Und immer den Sonnenaufgang über den Bergen bewundern, der so schön ist, dass man weinen möchte. Doch was muss er eines Tages von seinem Freund Leo, dem Schneeleoparden hören? Die Menschen glauben nicht an ihn. Empört macht er sich auf, fragt die Schneeeulenkusine, die für lange Zeit in Berlin im „Tiergefängnis“ inhaftiert war, nach dem schnellsten Weg in die Menschenstadt. Dazu muss er erstmal einen riesigen Silbervogel besteigen, der ihn nonstop von Yeptilimanschur nach Tegel befördert.

Was der anrührend naive Yeti so erlebt auf seinem Weg in die Menschenwelt, ist ein zauberhaftes Wintermärchen für Menschen ab acht. Will Gmehling beleuchtet das Leben der Menschen aus der Sicht eines totalen Außenseiters. Der zottelige Schneemensch könnte zornig werden über die Leute mit all ihren komischen Gewohnheiten und Vorurteilen, doch bleibt er gütig und tolerant. Auch, wenn es in Berlin statt Yak-Braten nur Currywürste gibt und niemand ihn ernstzunehmen scheint: „Der glaubt, er ist der Yeti? Der spinnt doch, der Penner!“

Am happy Ende darf er natürlich wieder ganz gelassen auf schneeverhangene Berggipfel schauen und tüchtig Yaks verputzen. Dort lebt er dann glücklich bis in alle Tage, wenn er sich nicht mal nach Bremen aufmacht um unseren Yeti-Glauben zu verstärken. Dann wären mal nicht nur Harry-Potter-Filme ausverkauft, sondern vielleicht auch Kinderlesungen besser besucht. Roland Rödermund

Will Gmehling: „Der Yeti in Berlin“, Verlag Sauerländer