Des Guten nie zu viel

Gesünder leben mit Nexa Lotte Natur oder Warum die belgische Fluggesellschaft Sabena wirklich pleite gegangen ist

Neukölln wird ja gern nachgesagt, es sei ein toter Bezirk – völliger Humbug: Wie bitte soll man in Ruhe tot sein, wenn der Friedhof in der Einflugschneise liegt? Da zittern die morschen Knochen, wenn der vierstrahlige Sabena-Bomber aus Brüssel im Landeanflug über die Gräber donnert.

In der anderen Einflugschneise liegt das Haus, in dem die Wohnung ist, in der sich das Zimmer befindet, wo der Schreibtisch steht, an dem ich sitze und Obst esse. Mein Schreibtisch ist auch ganz und gar kein toter Bezirk, vor allem der Papierkorb nicht. In dem Papierkorb landen alle Sachen, die so anfallen, wenn man fertig ist mit Obst essen: Apfelgriebse, Bananenschalen, Traubenstrünke, Orangenschalen. Keines dieser Öbster ist umsonst gestorben, denn schon bald feiert es als Obstfliegen Wiederauferstehung. Sie wuseln und krabbeln und sausen durch die Luft, als wollten sie sagen: „Neukölln lebt! Wir sind der Beweis!“

Wahrscheinlich sagen sie das auch, und man kann es nur nicht verstehen, weil ihre Stimmbänder so klein sind.

Heute sind es schon wieder so viele, dass mir das Obstfrühstück keinen Spaß mehr macht. Aber ich habe ja „Nexa Lotte Natur Natürliches Insektenspray“. Das ist ganz ohne chemische Wirkstoffe, das ist überall einsetzbar, das ist höllisch gesund. Das ist eigentlich sogar gesünder als die Luft draußen, in die kurz vor der Landung die Flieger noch mal ihr Restkerosin verklappen und wahrscheinlich den Inhalt ihrer Chemietoiletten dazu – neulich habe ich draußen auf jeden Fall Klopapier in den Bäumen hängen sehen! Ich schließe die Fenster und sprühe, wie in der Gebrauchsanweisung vorgesehen, die Fliegen direkt im Flug an.

Macht auch mehr Spaß so, sie zu treffen, zu sehen, wie sie ins Trudeln geraten und schließlich abstürzen – ist echt Roter-Baron-mäßig. Ich stelle mir vor, dass jede Obstfliege eine Sabena-Linienmaschine ist, und sprühe bestimmt hundertmal – das riecht unglaublich frisch und natürlich. Ein paar Fliegen haben sich auf mein Essen gerettet.

„Na wartet – ihr kleinen Drecksäue“, sage ich gut gelaunt und verpasse dem Teller eine ordentliche Dosis. Die sterbenden Insekten wische ich gründlich vom Apfel, bevor ich herzhaft hineinbeiße. Das schmeckt irre gesund – „Nexa Lotte Natur Natürliches Insektenspray“ mit dem Geschmack der reinen Natur. Die schläfrige Blasse aus dem Bioladen würde stolz auf mich sein, wenn sie mich hier so sehen würde: Den Umweltschutz lasse ich mir schon einiges kosten – ich hätte schließlich auch einfach überall Benzin hingießen und es anzünden können, das wäre viel billiger gewesen. So hätte das bestimmt Sabena gemacht.

Ich kann jetzt keine Obstfliegen mehr erkennen und sprühe provisorisch noch mal überall hin. Und mir selber in die Klamotten, auf die Haare, in die Augen – aua, das brennt aber: Daran sieht man erst, wie krank die Augen gewesen sein müssen, dass die Heilung so schmerzt. „Nur bei Bedarf zur Insektenabwehr anwenden“, steht auf der Dose – ich nehme ein paar kräftige Näschen, denn der Bedarf der Insekten scheint gedeckt – sie sind alle alle. Irgendwie ist mir nun schlecht, aber das kann ja eigentlich nicht sein – oder war das etwa doch des Guten zu viel?

ULI HANNEMANN