ISLAMISTEN WIE DER KALIF VON KÖLN HABEN KEINE MENSCHENRECHTSLOBBY
: Todesstrafe ohne Vollzug

Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass Metin Kaplan, der selbst ernannte Kalif von Köln, dessen Staat im Staat letzte Woche verboten wurde, binnen kurzem in der Türkei im Knast sitzen wird. Todesstrafe hin oder her, wenn zwei sich einig sind, hat der Dritte nichts zu lachen. Falls sich Innenminister Schily nicht bereits in dieser Woche mit seinem türkischen Kollegen einigen sollte, dann höchstens, weil es noch um Protokollfragen geht. Und da auch in Deutschland Leute, die sonst auf Auslieferungen in Folterländer sehr sensibel reagieren, dieses Mal kaum Widerspruch erheben werden (wer will sich schon für einen durchgeknallten Islamisten stark machen), ist der Rest Formsache. Auch wenn es der türkischen Regierung schwer fallen dürfte, eine völkerrechtlich verbindliche Erklärung abzugeben, nach der eine mögliche Todesstrafe gegen Kaplan auf keinen Fall vollstreckt wird, dürfte die Bundesregierung beim derzeit vorherrschenden Meinungsklima auch mit minder schwer wiegenden Erklärungen zufrieden sein.

Das türkische Parlament hat erst vor gut sechs Wochen ein großes Paket zur Reform der Verfassung beschlossen. Entgegen den Erwartungen der EU wurde die Todesstrafe dabei nicht abgeschafft, sondern nur auf die Delikte Terror und Hochverrat begrenzt. Kaplan soll nun genau deswegen angeklagt werden. Die Sicherheitsbehörden werfen ihm vor, seine Organisation hätte am 75. Jahrestag der Republik 1998 – ähnlich wie später in New Yok und Washington – versucht, ein Flugzeug in die Feierlichkeiten am Atatürk-Mausoleum zu stürzen. Da zu dem fraglichen Zeitpunkt die gesamte Staatsspitze dort versammelt war, kommt zum Terror der Hochverratsvorwurf hinzu.

Islamisten vom Schlage Kaplans wurden in der türkischen Elite, den Militärs und kemalistischen Parteiführern nach der Verhaftung Öcalans zu den Staatsfeinden Nummer eins aufgeblasen. Auch Kaplan wird daher zum Tode verurteilt werden. In der Praxis leitet die Regierung seit 1984 keine Todesurteile mehr an das Parlament weiter, eine Vollstreckung ist aber nur mit dessen Zustimmung möglich. Wie hunderte andere zum Tode Verurteilte wird Kaplan dann Zeit seines Lebens darauf hoffen, dass diverse Regierungen an dieser Praxis festhalten. Man darf gespannt sein, ob Otto Schily bereit ist, für einen „mutmaßlichen islamischen Terroristen“ mehr herauszuholen. JÜRGEN GOTTSCHLICH