Ein Fest des Friedens in Berlin

Am Sonntagabend lud der israelische Botschafter Shimon Stein zur Chanukka-Feier in seine Residenz. Kerzen wurden entzündet in Erinnerung an einen lang vergangenen Sieg

Die Juden feiern um die Zeit der Wintersonnenwende nicht Weihnachten, sondern Chanukka – den Tag der Wiedereinweihung des Tempels. Das Fest geht zurück auf die Regierungszeit des syrischen Königs Antiochos IV. Epiphanes, der von 174–164 vor unserer Zeitrechnung auch über Juda herrschte. Er verfügte, dass er selbst als Gott anzuerkennen sei, verbot den Juden die Ausübung ihrer Religion und schändete ihren Tempel in Jerusalem. Dagegen empörte sich eine Schar von jüdischen Freischärlern, geführt von Judas Makkabäus. Der Aufstand war erfolgreich – ein Sieg, der noch heute gefeiert wird.

Am Sonntagabend lud die israelische Botschaft in Schmargendorf zum Chanukka-Fest in die Residenz des Botschafters. Der jüdische Staat ist im Krieg – doch anders als etwa beim Sommerfest vor ein paar Monaten, da vermummte Scharfschützen mit immensen Maschinengewehren auf dem Dach des neuen Botschaftsbaus die Stimmung vermiesten, waren die Sicherungsmaßnahmen beim Einlass zum Chanukka-Fest eher gering: Wer hinein wollte, musste das Fax zeigen, das ihm vorab geschickt worden war. Das war’s.

Dicht gedrängt standen die Gäste um einen neunarmigen Leuchter, eine Menora aus Gold und Silber. Dies entspricht jüdischer Tradition, da die Kämpfer unter Judas Makkabäus der Überlieferung nach im entweihten Tempel die Menora entzünden wollten. Sie fanden aber nur noch Öl für einen Tag. Neues Öl gemäß der religiösen Vorschriften herzustellen, bedurfte es acht Tage. Dennoch entzündeten sie die Menora – und ein Wunder geschah, so will es der jüdische Glaube: Das Öl, das eigentlich nur für einen Tag halten sollte, reichte, um den Leuchter acht Tage am Brennen zu halten. Deshalb wird das Chanukka-Fest acht Tage lang gefeiert: An jedem Tag wird eine Kerze entzündet, mit Hilfe der neunten Kerze auf der neunarmigen Menora, dem Schamosch.

Viele Juden in der Diaspora sind in religiösen Dingen etwas bewusster als jüdische Israelis – und so nahm man es am Sonntagabend nur mit einem Lächeln, dass ausgerechnet der Botschafter Shimon Stein sich bei seiner kurzen Ansprache vor der Menora in der Anzahl der Kerzen vertat. Rabbiner Jitzhak Ehrenberg, wie immer recht imposant mit weißem langem Bart und schwarzem Gehrock, korrigierte den Diplomaten vorsichtig. Der wollte dann auch nicht mehr viel sagen, sondern wünschte einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Rabbiner Ehrenberg entzündete den Schamosch. Mit ihm entfachte er alle anderen Kerzen der Menora, denn es war der letzte Tag des Chanukka-Festes. Still wurde es. Der Geistliche sang beim Kerzenanzünden Gebete, die Gäste der Feier stimmten mit Amen ein. Traditionelle Chanukka-Lieder folgten – es hatte etwas Heiteres. „Schalom, Frieden“ sei nötig, sagte Rabbiner Ehrenberg in gepflegtem Jiddisch, „es wird gut sein“.

In einem Standardwerk zum Judentum schreibt der Oberrabbiner und Religionswissenschaftler Leo Trepp, der nach der Reichspogromnacht im November 1938 nach England emigrierte: Beim Chanukka-Fest feiere man „keineswegs einen Sieg der Waffen, sondern den des Geistes“. Es komme „ausschließlich auf die geistige Seite des Anlasses zu diesem Gedenken und keineswegs auf den Sieg mit Waffengewalt“ an. Oder, wie es Martin Luther sagt: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen.“

Seit seiner Gründung kämpft Israel um sein Überleben – in den Jahrzehnten seit 1948 war Frieden eher die Ausnahme als die Regel im jüdischen Staat. Am Sonntagabend flackerte im Schein der Menora ein wenig Frieden in der israelischen Botschaft auf. Lange brannten die Kerzen nicht. PHILIPP GESSLER