leben in funnyland
: YVES EIGENRAUCH über das Jahr 2001

pathologisch depressiv?

unser telefonat vom 16. 12. 2001. was? ich, pathologisch depressiv? zugegeben, das bisherige jahr verlief nicht gerade so, wie ich es mir vorgestellt hatte. aber manchmal müssen wir eben zu unserem glück gezwungen werden. der stern, unter dem wir geboren wurden, meint es gut mit uns. vieles mögen wir sein, jedoch nicht, und sei es auch nur ansatzweise, depressiv. es sei denn, wir verstünden das hinterfragen von situationen als eine unzufriedenheit des eigenen seins.

erlauben sie mir, in mich zu gehen: vielleicht liegt das ein oder andere in einer tiefe begraben, die es heute zu erforschen gilt. ja, äähm, also. zur feier des tages ziehen wir unseren cordanzug sowie unsere feinsten schuhe an. dem, was sich uns auf unserer route entgegenstellen wird, dem wir begegnen werden, wollen wir adäquat gekleidet gegenübertreten. wir müssen uns unseren respekt erweisen. ja, ööhm, also. was könnte dafür verantwortlich sein, dass diese vermeintlichen depressionen hervortreten, sich unserer bemächtigen? an der dritten biege marschierten wir nach rechts, ehe wir nach einiger zeit an der entsprechenden zelle zu stehen kamen. dort befanden wir uns und es sprach: das gewissen, das schlechte, steckt noch dort.

vor jahren, wir waren gerade aufgestiegen, besuchten wir kein spiel. mitsommer war die zeit, wir absolvierten unseren grundwehrdienst, montag bis freitag mittag kaserne, danach training, ehe es für die spieler ins lager ging. nicht alles taten wir dafür, mitzufahren. schnelles duschen, schnelles umziehen; und weg! die umstände erschienen uns so, als könnten wir an dieser situation zerbrechen. blöder wehrdienst, blödes spiel. kein erfolg war zu verzeichnen, schließlich sahen auch wir uns als zu schlecht. nicht allein der damalige trainer hatte diese meinung.

neunzehn jahr, blondes haar! so gingen wir, nicht zum ersten mal, nicht zu unserem spiel, sondern besuchten stattdessen ein tennistunier. wie hatte es dazu kommen können? eine unprofessionalität, die heute undenkbar ist, wir sie aber den umständen entsprechend wieder begehen würden.

jenes muss ich uns sagen, obwohl in nicht klar definierter form, uns noch heute so etwas wie ein gewissen plagt. wir gingen weiter, das gesprochene hatte uns nicht einmal ansatzweise zufrieden stellen können, zu groß war unser forschungsdrang geworden. wir mussten einige flüsse, als solche erschienen sie uns jedenfalls, durchschwimmen; der umgebungsdruck nahm zu, wir erreichten eine hochebene. die pflanzen in der unmittelbaren umgebung strahlten in schönem orange, verhinderten aber eine größere weitsicht, einzig der mittig platzierte obelisk ragte hervor und es sprach: als resümee bleibt festzuhalten: zwölf mal zwei zeilen eines jahres.

– 01. aufwachen, frühstücken, trainieren, mittagessen, mittagsruhe, xxx, trainieren. saunieren, pflege. abendessen. pflege. im anschluss habe ich heute nichts mehr zu tun. – 02. apathisch sitze ich vor dem fernseher. ich starre auf den bildschirm, ein musikvideo von nelly wird gezeigt. ich sitze im maritim in bremen. fake. das, was ich sehe, ist nicht das, was es gibt. – 03. so war das. ich genoss die fussballdruckfreie zeit. sie sollte ja unter umständen bald wieder enden. und sonst? – 04. ich sitze hier. warum? warum werde ich mitgenommen, obwohl es mir nicht so viel bedeutet wie dem ein oder anderen anderen, der noch in der kabine sitzt und mit seinem schicksal hadert? – 05. blödmann. keine videokamera, keine actionsampler. beides leer. zum letzten training waren viele zuschauer, viele fans gekommen. knapp zehntausend!? bei der anfahrt wurde von den leuten eine schneise gebildet, sie klopften aufs auto, riefen meinen namen. – 06. während wir durch das alte gebäude gingen, sagte irgendjemand: jetzt könne auch ein lehrer kommen und sagen, die stunde begänne, es wäre ganz normal mitzugehen. – 07. listing: JA, HÄTT DEN ANSCHLUSSFLUG NACH MARRAKESCH FAST VERPASST, ABER HAT DOCH GEKLAPPT, IST TOLL HIER – MÜSSTEST DU SEHEN... SCHLAF GUT! – 08. aus welchen gründen auch immer, bin ich in den letzten wochen, ja gar monaten, nicht dazu gekommen meine aufzeichnungen vernünftig weiterzuführen. – 09. aber: eine sequenz gefiel mir. die beantwortung der frage: „aus welchen gründen soll man miteinander ins bett gehen? weil man lust darauf hat. weil es schön ist. weil es jetzt gleich, sofort, auf der stelle sein muss. weil man einander scharf findet, mag, liebt. weil es schön wäre, wieder mal sex zu haben. weil draußen die sonne scheint. weil es draußen regnet.“ – 10. naiv wie ich bin, glaubte ich doch wirklich, sie könnte mich verstehen, und selbst wenn nicht, sie aber meinen worten glauben schenken würde. – 11. ..., und muss mir eingestehen, dass ich selber nicht wusste und auch jetzt nicht weiß, was sache ist. – 12. orange: schön ist der tag, schön das leben!

Fotohinweis:yves eigenrauch, 30, ist angestellter von schalke 04 und schrieb 50 kolumnen