DIE BUNDESREGIERUNG SETZT SICH NICHT GEGEN DIE ATOMLOBBY DURCH
: Atomarer Wiedereinstieg

SPD und Bündnisgrüne in Berlin feierten letzte Woche den Ausstieg aus der Atomenergie; andere den Wiedereinstieg. In Biblis etwa knallten schon am 22. November die Sektkorken. Da war der Block B des AKWs gerade wieder angefahren worden – nach einer um vier Wochen verlängerten Revisionszeit. Einem Brennelement war von einem Ladekran der Kopf abgerissen worden; es „versank“ im Abklingbecken. Wäre dieser „Absturz“ kein Abenteuer unter Wasser gewesen, sondern bei einer Castorbeladung passiert, er hätte fatale Folgen gehabt.

Gefeiert werden durfte gestern auch in Philippsburg, als der Pannenreaktor Block II wieder ans Netz ging. Der war am 8. Oktober auf Druck von Landesumweltminister Ulrich Müller (CDU) und Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hin abgeschaltet worden, weil dort Störfälle in Serie produziert wurden. Der TÜV-Süddeutschland hatte sich danach als untauglicher Gutachter in Sicherheitsfragen erwiesen. Eine „Task Force“ (Müller), die alle AKWs des Landes untersuchen sollte, wurde ins Leben gerufen, und Müller ließ sich als „harter Hund“ feiern. Jetzt tun alle so, als sei nie etwas gewesen in Philippsburg oder in Biblis. Der skandalöse TÜV, auf dessen „Sachverstand“ Umweltminister Trittin zukünftig gerne verzichten würde, ist weiter im Geschäft. Bei Landesumweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) in Hessen durfte der TÜV-Süddeutschland sogar ganz alleine einen Störfall kurz vor dem Wiederanfahren des Reaktors begutachten.

Und was sagt der grüne Umweltminister der Bundesrepublik Deutschland dazu? Dass es in Baden-Württemberg zwar „Defizite“ bei der Landesaufsicht, der Betreibergesellschaft und dem TÜV gegeben habe. Doch weil deren Aufarbeitung zugesagt worden sei, erhebt sein Ministerium „keine Einwände“ gegen den Neustart in Philippsburg. Der in Biblis war noch nicht einmal mehr ein Thema für Trittin – für die Grünen im hessischen Landtag dagegen ein nicht zu verantwortender Willkürakt. Fazit: Die Bundesregierung konnte sich wieder einmal nicht gegen die Atomlobby durchsetzen. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT