Wo ist Bin Laden?

„Wir wissen nicht, wo er ist“, hat US-Außenminister Powell über Bin Laden gesagt und gewarnt, die Jagd könne Jahre dauern. So lange wartet die taz nicht. Sieben Hinweise zur Spurensuche

BERLIN taz ■ 1. In der Höhle. In seiner „Spezialhöhle“ in Tora Bora fanden die Anti-Taliban-Kämpfer Ussama Bin Laden zwar am Wochenende nicht. Aber es gibt dort, in den Weißen Bergen und den anderen paschtunischen Gebirgsmassiven unzählige andere Löcher, Höhlen, Bunker und Verstecke, in denen man sich verbergen kann. Für Jahre, wenn nötig, und wenn, mit entsprechender Versorgung. Das weiß auch Colin Powell. „Es sind noch ein paar Höhlen übrig, in denen wir nachgucken müssen“, sagte er.

2. Auf dem Berg. Funksprüche Bin Ladens an versprengte Al-Qaida-Kämpfer wollen US-Spezialkräfte vor wenigen Tagen auf Berggipfeln der Grenzregion geortet haben. Mit ihren lokalen Verbündeten unternehmen sie dort nun eine „Treibjagd“ nach Bin Laden und seinen Mitstreitern, sagte Colin Powell. Bisher ohne Ergebnis, jedenfalls was Bin Laden angeht.

3. In Pakistan. Bin Laden sei schon vor Wochen aus Afghanistan ins Nachbarland abgehauen, dessen Geheimdienst und paschtunische Minderheit starke Sympathien für die Taliban hegen, vermuten manche Geheimdienstler. Dorfleute um Tora Bora sollen den Anti-Taliban-Kämpfern erzählt haben, Bin Laden habe die Grenze längst überschritten. Jene Al-Qaida-Kämpfer, die nach einer solchen Flucht aufgegriffen wurden, waren glatt rasiert, zur Tarnung. Weiß jemand eigentlich, wie Bin Laden ohne Bart aussieht?

4. Auf einem Boot. Seit einiger Zeit schon durchsuchen US-Militärs regelmäßig Schiffe, die aus pakistanischen Häfen auslaufen – in der Hoffnung, irgendwo unter einem Verdeck einen flüchtigen Bin Laden zu finden. Denn nur so könnte er ganz aus der Krisenregion entkommen. Zum Beispiel ist es von Pakistan überhaupt nicht weit zur Arabischen Halbinsel. Millionen Gastarbeiter haben diese Reise bereits hinter sich.

5. In Jemen. Dort kommt die Familie Bin Laden schließlich her, aus einer Bergregion des ehemaligen Südjemen nahe der saudischen Grenze, die sich von den Bergen um Tora Bora nur durch die spärlichere Vegetation unterscheidet. Zurück in der Heimat seiner Vorfahren, wo Al-Qaida schon einmal erfolgreich das US-Militär angegriffen hat und wo die Regierung in entlegenen Gebieten nichts zu sagen hat, könnte er sich ziemlich unangreifbar machen.

6. In Somalia. Schon längst, behaupten manche Geheimdienstler, habe sich Bin Laden nach Mogadischu geflüchtet, wo eine islamistenfreundliche Interimsregierung amtiert. Oder an einen anderen Punkt der über 2.000 Kilometer langen, kaum zu überwachenden somalischen Küste, an der nur ein paar Milizen herrschen. Die USA sind jedenfalls besorgt genug darüber, dass sie halblaut über Militärschläge nachdenken.

7. Unter der Erde. Und wenn Bin Laden längst tot ist? Von den eigenen Getreuen ermordet? Im Kampf gefallen? Opfer des allervornehmsten Selbstmordanschlags? Werden wir es je erfahren? Und was genau passierte am 9. November, nachdem die Videoaufnahme von Bin Laden zu Ende war, die das Pentagon um die Welt geschickt hat? D.J.

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