DIE US-ZÖLLE FÜR STAHLIMPORTE ENTLARVEN DEN LIBERALISMUS ALS FARCE
: Subvention des Freihandels

Die Rede vom freien Handel ist oft nur eine Methode, um von der eigenen Subventionspolitik abzulenken. Wie der Hase läuft, sieht man am neuesten Streit zwischen den USA und Europa über die Stahlproduktion. Während die US-Regierung gemeinhin andere Länder auffordert, ihre Handelsschranken niederzureißen und amerikanischen Waren ungehinderten Zugang zu gewähren, droht Washington der Europäischen Union jetzt mit Strafzöllen für Stahlimporte in die USA. Das hat einfache Gründe: Zwischen Boston und Seattle herrscht Rezession, die amerikanischen Stahlproduzenten verkaufen weniger als erhofft. Da kann man die Konkurrenz aus Europa schlecht gebrauchen. Die Regierung von Präsident Bush verfährt nach dem Motto: „Ja“ zum Freihandel, wenn er der US-Wirtschaft nützt.

So ist der Liberalismus zur Förderung der eigenen Industrie verkommen. Und das nicht nur in den Vereinigten Staaten und nicht nur beim Stahl. Der US-Kongress ist gerade dabei, erhöhte Subventionen für die Farmer im Mittleren Westen zu beschließen. Die sollen ihr Getreide auch in Zukunft auf dem Weltmarkt verkaufen können, obwohl sie eigentlich zu teuer produzieren. Und in der EU ist es üblich, Importe aus Entwicklungsländern mit Einfuhrzöllen so zu verteuern, dass sie europäischen Firmen keine Konkurrenz machen. Schon lange beschwert sich deshalb Indien darüber, dass seine Textilexporte diskriminiert werden.

Im Stahlstreit offenbart sich aber nicht nur eine Ideologie, die die eigenen wirtschaftlichen Interessen kaschiert. Hier zeigt sich auch, dass das Konzept des Freihandels mit den gesellschaftlichen Realitäten oft nicht kompatibel ist. In der amerikanischen Stahlindustrie arbeiten hunderttausende Beschäftigte. Mehrere Firmen haben bereits Konkurs angemeldet. Da ist es verständlich, dass man einen Kahlschlag, der die Branche auslöscht, nicht akzeptieren will. Schließlich trägt jede Regierung auch eine Verantwortung dafür, dass die Menschen im Lande Arbeit haben, um sich selbst ernähren zu können. Deshalb kann es richtig sein, zeitweise Produktionen aufrechtzuerhalten, die aus rein betriebswirtschaftlichem Kalkül keine Existenzberechtigung mehr hätten.

Da das so ist, sollten die Industrieländer und die Welthandelsorganisation WTO den Freihandel als oberstes politisches Ziel ad acta legen. Alle Märkte hundertprozentig zu öffnen, alle Subventionen und Schutzmaßnahmen abzuschaffen, ist unrealistisch und schädlich. Worum es geht, ist ein sinnvolles Verhältnis von Freihandel und wirtschaftlicher Lenkung. HANNES KOCH