Fahrplan für die Zukunft

„Nachhaltigkeitsstrategie“ der Bundesregierung: Politik bei Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Bildung und soziale Sicherheit bis 2020 umlenken. Ziel: Sparsamer Umgang mit Ressourcen

von BERNHARD PÖTTER

Im September nächsten Jahres wird Bundeskanzler Gerhard Schröder in Johannesburg nicht mit leeren Händen dastehen. Auf dem UN-„Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung“, zehn Jahre nach dem Gipfeltreffen von Rio, wird Deutschland sein Konzept für eine zukunftsfähige Entwicklung vorstellen. Diese „Nachhaltigkeitsstrategie“, eine Zukunftsplanung aus den Bereichen Wirtschaft, Umwelt, Soziales und Bildung, hat das „grüne Kabinett“ der Staatsekretäre am Montagabend beschlossen.

Hintergrund der Stategie ist der Auftrag von Rio an die Staaten, Vorschläge für eine wirtschaftlich machbare, ökologisch vertretbare und sozial gerechte Entwicklung vorzulegen. Die rot-grüne Bundesregierung hat nach Informationen aus Regierungskreisen ihr Konzept breit angelegt. So soll sich Zukunftsfähigkeit zeigen in „Generationengerechtigkeit“ (Rentensystem, Kindergärten), „Lebensqualität“ (Umweltschutz, sichere Ernährung, Verkehrsprobleme in Städten), „sozialem Zusammenhalt“ (keine Trennung der Gesellschaft in Modernisierungsgewinner und -verlierer, Integration von Ausländern) und „internationaler Verantwortung“ (Armutsbekämpfung und gerechter Welthandel). Gefordert wird auch eine umfassende Bildungsoffensive und eine Hochschulreform.

Für den Erfolg dieser Strategie sei die Regierung auf die Mitarbeit der gesellschaftlichen Gruppen angewiesen, heißt es. Neben dem Rat für Nachhaltigkeit können sich Normalsterbliche auch über das Internetforum „Dialog Nachhaltigkeit“ beteiligen. Ein Fort- oder Rückschritt in dieser Entwicklung soll anhand von 21 ausgewählten Faktoren gemessen werden (siehe Kasten). Diese Indikatoren sollen möglichst an qualititativen Zielen ausgerichtet werden. Eine harte Vorgabe zu den Klimaschutzzielen der nächsten Jahrzehnte – etwa die vom Bundestag geforderte Reduzierung der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 – fehlt allerdings.

Wie sich das „grüne Kabinett“ diese Nachhaltigkeitsstrategie konkret vorstellt, hatten die Staatssekretäre bereits vor einem halben Jahr präsentiert. In vier ökologischen Pilotprojekten wollen sie der Zukunft näher kommen: So sollen Flächen für Windkraftanlagen vor der Küste ausgewiesen und ihre Wirkung auf ihre Umwelt gemessen werden; das Verbraucherministerium untersucht in Modellprojekten, wie wieder Wertschöpfung in den ländlichen Raum zu bringen ist, indem etwa dezentrale verarbeitende Betriebe angesiedelt werden. Der regionale Bahnverkehr soll gefördert und die Forschung an der Brennstoffzelle als Antriebstechnik für Autos solle intensiviert werden, erklärte Kanzleramtsminister Hans Martin Bury.

An dieser Ausrichtung auf technische Machbarkeit hatten Vertreter des Nachhaltigkeitsrats wie etwa der Nabu-Vorsitzende Jochen Flasbarth Kritik geübt. Der 16-köpfige Rat, der mit Vertretern aus Wirtschaft, Ökoverbänden, Kirchen und Gewerkschaften seit April die Bundesregierung berät, hat denn auch vier eigene Projekte vorgeschlagen: zur intensiven Dämmung von Altbauten um Energie zu sparen, zur Verbesserung der Mobilität durch intensive Beratung, eine Image-Offensive für ökologische Lebensmittel und die Unterstützung nachhaltiger Landbaumethoden in Entwicklungsländern. Der Rat hat der Bundesregierung diese Vorschläge zugeleitet. „Aber die Erarbeitung der Strategie ist Aufgabe der Regierung“, betont Flasbarth. Auch die BUND-Vorsitzende und Mitglied im Nachhaltigkeitsrat, Angelika Zahrnt, erklärte, der Rat werde die nun vorgestellte Strategie der Bundesregierung auf seiner Sitzung im Januar diskutieren.